© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Duell der Großmächte
Geopolitik: Die Hegemonie der USA im Nahen Osten bröckelt. Die ölreichen Golfstaaten orientieren sich zunehmend an China. Für den Westen könnte das fatale Folgen haben
Ferhad Seyder

In der letzten Dekade verschärfte sich die Konkurrenz der USA als Hegemonialmacht in der Golfregion zunehmend. Washingtons Widersacher heißt inzwischen China. Das Reich der Mitte versucht aktuell, seine Beziehungen zu den Golfländern – vor allem Saudi-Arabien – zu intensivieren, um die eigene Energieversorgung zu sichern. 

Die USA hatten den politisch-militärischen Vorteil durch das bereits existente Netz von Verträgen, Abmachungen und nicht zuletzt die militärischen Stützpunkte in Bahrain und Katar sowie militärische Präsenz in Saudi-Arabien.

Doch während der zwei Amtszeiten Barack Obamas versuchten die Vereinigten Staaten zunehmend, ihre militärische Präsenz in der Region zu reduzieren und die Zusammenarbeit mit den Golfstaaten von deren innenpolitischer Entwicklung hinsichtlich der Demokratisierung und dem Schutz der Menschenrechte abhängig zu machen. Der amtierende US-Präsident Joe Biden setzt ebenfalls auf diesen Kurs.

Es war auch Joe Biden, der während seiner Wahlkampagne immer wieder die autoritäre Staatsführung und die Verletzung der Menschenrechte in dieser Region, aber vor allem in Saudi-Arabien anprangerte.

Saudi-Arabien soll als Pariastaat isoliert werden. Das spirituelle Zentrum des sunnitischen Islams wurde von den linken Strömungen in der Demokratischen Partei und den ihnen nahestehenden zivilgesellschaftlichen Organisationen als Unterstützer des islamistischen Terrors und der Attacken des 11. September 2001 ausgemacht.

Im Gegensatz zu Saudi-Arabien hat der Iran ganz offen Terrororganisationen im Nahen Osten, aber auch im Westen unterstützt. Die Hisbollah im Iran sowie schiitische Milizen im Irak, Syrien und im Jemen wurden durch die massive iranische Unterstützung zu Quasi-Organen dieser Staaten gemacht. 

In der Kenntnis, daß die Vereinigten Staaten ein schwieriger Partner sind, mußten die Saudis andere Bündnisse suchen. Vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges haben die USA und Saudi-Arabien in Richtung Asien geblickt. Die USA haben schon unter Obama dem asiatischen Raum mehr Relevanz beigemessen, die Saudis entdeckten China als einen starken Partner für sich.

Trumps Annäherung an Saudi-Arabien fehlte die Strategie

Die Beziehungen Chinas mit Saudi-Arabien und den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GKR) intensivierten sich als eine logische Konsequenz der Entfremdung, die sich in den beiden Amtsperioden Obamas entwickelt hatte. Obamas Nachfolger Donald Trump versuchte, die Beziehungen durch Fortsetzung der Waffenlieferung an Saudi-Arabien zu reaktivieren. Er hatte aber keine umfassende Strategie, um das Mißtrauen der Golfstaaten gegenüber ihrem Hauptverbünden, den USA, zu beseitigen.

Vor allem Saudi-Arabien versuchte unter König Salman ibn Abd al-Aziz nach neuen politischen Partnern zu suchen und den eigenen Waffenimport zu diversifizieren. Es war daher opportun, daß Saudi-Arabien China als die aufsteigende Wirtschaftsmacht als Ziel seiner Bemühungen betrachtete. Es gab nie große politische Differenzen zwischen Saudi-Arabien und den Golfstaaten mit der Volkrepublik China. Ganz anders als mit den USA. Denn allein der palästinensisch-israelische Konflikt und die Bemühungen der USA in der Zeit des Kalten Krieges, die Araber auf ihre Seite zu ziehen, belasteten stets die arabisch-amerikanischen Beziehungen.

Just nach dem Ende der Amtsperiode Obamas und der Unterzeichnung des Atomvertrags mit dem Iran intensivierten die Saudis ihre Beziehungen mit Peking. Beim Besuch König Salmans in China im März 2017 unterzeichneten beide Seiten einen Vertrag über 65 Milliarden US-Dollar für saudische Waffeneinkäufe aus dem Reich der Mitte. Der Vertrag enthielt sensible Bereiche wie den Import chinesischer Technologie für Verteidigungssysteme und die Herstellung von Drohnen (CH-4B-Typ). Auch in zivilen Bereichen wurde das Handelsvolumen erweitert.

Mit der Übernahme der Macht durch die Demokraten kehrte die kritische Position der USA im Umgang mit Saudi-Arabien zurück. Hierzu gehört auch eine sehr zurückhaltende Haltung beim Thema Waffenlieferungen. Die wohlwollenden Waffenexporte durch die Trump-Administration gehörten nun wieder der Vergangenheit an.

Während die Beziehungen zwischen Washington und Riad voller Spannungen und Unstimmigkeiten sind, stabilisierten der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping (Kommunistische Partei) im Dezember 2022, die Gipfelkonferenz China-GKR und die Begegnung des chinesischen Präsidenten mit den arabischen Staatsoberhäuptern im gleichen Monat den Zustand der chinesisch-arabischen Kooperation. Bilateral wurde vereinbart, daß die Erdölexporte Saudi-Arabiens nach China signifikant erhöht werden.

Das Handelsvolumen zwischen China und Saudi-Arabien betrug im vergangenen Jahr fast 90 Milliarden US-Dollar. Die chinesischen Handelsbeziehungen zu den anderen Golfstaaten entwickelten sich ebenfalls rapide. Die Chinesen sind wie die Saudis daran interessiert, daß die Bindung zwischen dem Erdölgeschäft und dem Dollar geschwächt wird. 

Diese Interessenübereinstimmung und die stetige Ausweitung der Kooperation zwischen den Golfstaaten und China bedeuten eine große Herausforderung für die Politik der USA. Die Vermittlung Chinas im Kontext saudisch-iranischer Beziehungen und die Unterzeichnung eines Normalisierungsvertrags zwischen den beiden Staaten in Peking im März 2023 sind ein Meilenstein für die moderne chinesische Diplomatie.

Die USA stehen am Rande der Isolation

Die Biden-Administration steht indes zunehmend isoliert da. Die Bedingungen der USA für vertiefte Beziehungen mit Saudi-Arabien sind: die Beendigung des Krieges im Jemen sowie der Handel mit Erdöl nach den politisch-strategischen Interessen Amerikas, inklusive der Leitwährung US-Dollar als Zahlungsmittel für sämtliche Öl-Geschäfte.

Die Chinesen dagegen haben inzwischen diplomatisch bessere Karten. Im Duell mit China werden die USA im Nahen Osten künftig mehr Kompromisse eingehen müssen.






Ferhad Seyder, Professor a.D. für politische Wissenschaft, FU Berlin 1995–2000, Universität Erfurt 2000 bis 2019, ab 2012 Leiter der Mustafa-Barzani-Arbeitsstelle für Kurdische Studien.