© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Munter Meldehelden machen
Per Mausklick: Wie staatlich geförderte Vereine zum Denunzieren unliebsamer Meinungen aufrufen / Teil 2
Hinrich Rohbohm

Wie ein Flickenteppich breiten sie sich kreuz und quer durch die Republik immer weiter aus: Denunziationsportale und Meldestellen, auf denen Bürger ihre Mitmenschen nach Belieben anschwärzen können. Über das Internet per Mausklick, bequem vom heimischen Sofa aus. Wie in der Ausgabe der vorigen Woche (JF 16/23) beschrieben, verbergen sich hinter solchen Portalen nicht selten einschlägige Interessengruppen, legitimiert durch staatliche Stellen und mit finanziellen Zuschüssen aus den Ministerien ausgestattet.

Mehr noch: Auch die Europäische Union beteiligt sich an der Förderung. Etwa durch das Portal I-Report. „Wir erfassen und dokumentieren antimuslimische Vorfälle“, wirbt das Projekt für sich. „Sind Sie Betroffene*r oder Zeug*in eines antimuslimischen Übergriffs oder einer Diskriminierung geworden? Melden Sie ihren Fall – Machen Sie antimuslimischen Rassismus sichtbar!“, fordert I-Report die Bürger zum Anschwärzen auf. Versehen mit einem „Vorfall melden“-Button.

„Je mehr angezeigt wird, desto besser können wir dokumentieren“

Gemeldet werden könne „jeder Fall, den Sie als antimuslimisch wahrnehmen.“ Was als gute Tat zu werten sei. Denn „mit Ihrer Meldung helfen Sie, antimuslimischen Rassismus besser beleuchten zu können“, schreiben die Betreiber dazu, nachdem man den „Vorfall-melden“-Knopf gedrückt hat. Die Meldung werde „vertraulich“ behandelt, verifizierte Vorfälle „anonymisiert.“ Wie mit der Meldung verfahren werde, entscheide allein der Anschwärzer, versichert man auf der Internetseite. Zu den Förderern der Meldestelle gehört neben der EU auch die eng mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zusammenarbeitende Mercator-Stiftung.

Wer aber steckt hinter dem Portal? Da wird es wie bei den meisten Meldestellen schwammig. Denn I-Report ist lediglich ein Projekt eines weiteren Projekts namens CLAIM. Ein Verbund von „47 muslimischen und nichtmuslimischen Akteuren der Zivilgesellschaft“, wie es die Betreiber wolkig beschreiben.

Als Träger des Projekts fungiert der Verein Teilseiend e.V. aus Heidelberg. Hinter dem sich wiederum die Initiative Heidelberger Muslime verbirgt, die sich als „Graswurzelbewegung“ versteht. Der Verein führt unter anderem Fachtagungen zu Themen wie „Antirassismus und Vielfaltsdiskurse im muslimischen Kontext“ durch, betreibt zudem eine Muslimische Akademie.

Auch das Demokratiezentrum Land Bremen, angesiedelt bei der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport, verweist auf das Meldeportal I-Report, das dort als „Programmpartner“ geführt wird. Die JUNGE FREIHEIT macht auch hier den Test, will einen antimuslimischen Vorfall melden. Diesmal versuchen wir es noch schwammiger, noch unkonkreter. Ein Freund sei muslimisch beleidigt worden, traue sich aber nicht den Vorfall zu melden. Dürfen wir das jetzt tun? Wir dürfen. „Sie können den Vorfall ganz sicher von zu Hause aus und anonym über I-Report melden. Wenn Ihr Freund sich nicht traut, können Sie das auch für ihn machen, das ist kein Problem“, erklärt eine Mitarbeiterin. Hauptsache sei, der Fall werde überhaupt gemeldet. „Je mehr angezeigt wird, desto besser können wir antimuslimischen Rassismus dokumentieren“, meint die Mitarbeiterin weiter.

Das Demokratiezentrum Land Bremen betreibt eine staatlich geförderte Beratung gegen Rechtsextremismus und antimuslimischen Rassismus, verweist dabei auch auf die Meldestellen. Eine Beratung gegen Linksextremismus oder islamischen Extremismus erfolgt hingegen nicht. Bundesweit erhalten derartige Landes-Demokratiezentren mittlerweile Zuschüsse in Millionenhöhe. Waren es 2020 noch knapp 950.000 Euro, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Verfügung stellte, so sind es in diesem Jahr bereits fast 1,5 Millionen Euro.

Eine weitere eng mit I-Report vernetzte Bremer Meldestelle ist die an der Universität angesiedelte Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt. Auch dort äußert man sich gegenüber dem verdeckt auftretenden Reporter: „Immer melden sowas.“ Man freue sich da stets „über neues Futter“. Je mehr Fälle gemeldet würden, desto mehr steige auch die Akzeptanz für die finanzielle Bezuschussung von „Projekten gegen Rechts“, gibt man hier sogar unumwunden zu.

Keine Differenzierung  zwischen rechts und rechtsextrem

Als weiterer Programmpartner von I-Report fungiert das Bremer Projekt Soliport, das eigenen Angaben zufolge Betroffene „rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt solidarisch“ berate und unterstütze. Hinter Soliport verbirgt sich die Lidice-Haus GmbH, und dahinter versteckt sich die Fachstelle Rechtsextremismus und Familie. Die wiederum ist Teil des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismusprävention, zu dessen Mitgliedern neben dem Lidice-Haus auch die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus sowie der vom ehemaligen Regierungssprecher Gerhard Schröders und einstigen Chefredakteur des SPD-Organs Vorwärts, Uwe-Karsten Heye, geführte Verein „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ gehören.

In Schleswig-Holstein ist es die Meldestation

ZEBRA, die mit I-Report vernetzt ist und kostenloses sowie anonymes Denunzieren nach „rassistischen“ oder „rechtsmotivierten Angriffen“ anbietet. Eine Anzeige bei der Polizei sei dafür nicht notwendig. „Auch eine verbale Beleidigung ist bereits ein Angriff“, belehrt man uns, als wir auch dort inkognito einen entsprechenden Vorfall melden.

ZEBRA steht für „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“ und wartet mit einer Broschüre darüber auf, was nach einem „rechten“ Angriff zu tun sei. Eine Differenzierung zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem findet hierbei erst gar nicht statt. „Rechte Angriffe richten sich gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen“, wird darin erklärt, was denn ein rechter Angriff sei. Solche Gruppen seien „Migranten, People of Colour, politisch Andersdenkende, nicht-rechte Jugendliche, Wohnungslose, Menschen mit Behinderung oder Schwule, Lesben und Transgender“.

Die Broschüre dient als Anleitung für Anzeigen, gibt Tips zum Verhalten gegenüber Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaften. Auch ein dezenter Hinweis darauf, wie eventuelle Prozesse finanziell unterstützt werden können, fehlt nicht. Genannt wird dabei Cura, der Fonds der Amadeu-Antonio-Stiftung, der „schnelle und unbürokratische Hilfe für Betroffene rechter Angriffe“ biete. Jener Stiftung, deren Gründerin Annetta Kahane einst als IM „Victoria“ für die Stasi arbeitete.