Aufsichtsratsposten haben eine magische Wirkung auf aktive und ehemalige Politiker. Es gibt hohe Vergütungen und wenig zu tun. Zu Bonner Zeiten sammelten einige Politiker Aufsichtsratsmandate in Unternehmen wie andere Leute Briefmarken. Der einstige Bauernpräsident und CDU-Bundestagsabgeordnete Constantin Freiherr von Heereman (1931–2017) und der frühere FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff (1926–2009) sollen gleich mehrere Dutzend Aufsichtsratsmandate gehabt haben. Heute erweisen sich Transparenzgebote als Hindernisse für unauffälliges Kassieren neben dem Mandat. Inzwischen müssen Abgeordnete ihre Aufsichtsratsposten und Vergütungen auf der Homepage des Bundestages angeben.
Für Ehemalige gilt dies nicht, und so können frühere Minister und Staatssekretäre nach einer gewissen Karenzzeit begehrte Posten abgreifen. So sitzt Sigmar Gabriel (SPD) im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, und Dirk Niebel (FDP) berät den Rüstungskonzern Rheinmetall. Jetzt gibt es einen neuen Fall: Katrin Suder, ehemalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, soll bei der Hauptversammlung der Deutsche Post DHL Group am 4. Mai zur Aufsichtsrätin gewählt werden. Die ursprünglich aus dem Beratungsunternehmen McKinsey kommende Suder ist – zurückhaltend formuliert – umstritten.
Im Verteidigungsministerium kam es während ihrer Amtszeit zu wenigen Beschaffungsmaßnahmen, dafür aber zu einer Fülle von Aufträgen an Beratungsunternehmen, was zu heftiger Kritik des Bundesrechnungshofes führte. Der heutige FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr witterte überdies Vetternwirtschaft: „Innerhalb von vier Jahren ging etwa eine halbe Million Euro für Beratungsdienstleistungen an einen Vertrauten von Staatssekretärin Katrin Suder.“ Die quittierte 2018 den Dienst im Bendlerblock und konnte sich anschließend an keine Details erinnern, als sie im Verteidigungsausschuß zu den Vorwürfen in dieser Berateraffäre Stellung nehmen sollte.
Suder fiel weich und wurde Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung (bis 2021). Ihr Versuch, Vorstand beim Automobilkonzern VW zu werden, scheiterte – Grund waren offenbar die Vorgänge im Verteidigungsministerium. Danach wurde es still um die mittlerweile selbständige Unternehmensberaterin. Aber bald floriert das Geschäft wieder: Als Aufsichtsrätin bei der Deutschen Post erhält sie 100.000 Euro im Jahr plus Sitzungsgelder – mindestens bis 2026.
Die Deutsche Post ist keine Aktiengesellschaft wie jede andere, sondern befindet sich trotz Privatisierung weiterhin fest in Staatshand. Die staatliche KfW-Bankengruppe hält 20,5 Prozent der Aktien. Im KfW-Verwaltungsrat sitzen sechs Bundesminister (Christian Lindner, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Steffi Lemke, Cem Özdemir und Volker Wissing). Außerdem finden sich dort noch sechs Bundestagsabgeordnete aus unterschiedlichen Fraktionen. Bei der KfW passiert nichts Wichtiges ohne den Verwaltungsrat, und bei der Post passiert nichts Wichtiges ohne Zustimmung der KfW.