© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Michael Meyen. Wegen seiner mißliebigen Meinung ist der Professor – angeblich – ein Fall für den Verfassungsschutz.
Gegen den Strich
Bernd Rademacher

Wirbel an der Uni München: Professor wird vom Verfassungsschutz überprüft! Wissenschaftsminister schaltet sich ein! So berichten derzeit etliche Medien, etwa die Zeit, die schon länger nach Maßnahmen gegen den Mißliebigen rufen. Ihr Ziel ist der 56jährige Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen. 

Geboren auf Rügen, studierte das damalige SED-Mitglied Journalismus, arbeitete nach Ende der DDR als Journalist, wurde Dozent an der Uni Leipzig, dann Halle und 2002 Professor in München. Hier widmete er sich auch der DDR-Journalistik, der er attestiert, besser als ihr Ruf gewesen zu sein. Zwei Jahrzehnte verlief Meyens Hochschulkarriere ungebrochen – dann kam Corona!

Mit seiner Meinung hielt Meyen nicht hinterm Berg, riet seinen Studenten, die Inzidenzwerte nicht so ernst zu nehmen, übte Kritik an der ideologischen Schlagseite von Wikipedia, etwa erhielten dort „Autoren alternativer Sichtweisen schnell einen Eintrag als ‘Verschwörungstheoretiker’“ – und gab den als solchen verschrienen Radiomoderator Ken Jebsen als Quelle an. All das löst hektischen Zeigerausschlag am Empör-o-meter aus und neben etlichen Medien trommeln auch „kritische“ Studenten für Meyens Rauswurf.

Kein Wunder, denn Meyen bürstet kräftig gegen den Strich: In seinen profunden Analysen zeigt er etwa auf, wie Medien sich immer wieder zu Propagandaorganen herrschender Narrative machen. Wohl auch deshalb wurde sein Buch „Die Propaganda-Matrix. Der Kampf für freie Medien entscheidet über unsere Zukunft“ 2021 zum Bestseller. 

Meyens Kritiker tun alles, um seine „Verschwörungstheorie“ einer Diskursunterdrückung vollauf zu bestätigen.

Als Meyen Ende März auch noch Mitherausgeber und Kolumnist der Corona-maßnahmenkritischen Zeitung Demokratischer Widerstand wurde – der DW gilt als „Querdenker“-Blatt und angeblich „rechts“ – schalteten Süddeutsche Zeitung, T-Online und der Bayerische Rundfunk per Presseanfrage CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume ein. Der donnerte: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. An bayerischen Hochschulen ist kein Platz für extremistisches Gedankengut.“ Nach diesem Rüffel des Ministers ist „die Uni nun doch aktiv geworden (und) hat den Verfassungsschutz eingeschaltet“, berichtet die SZ über ihren eigenen Triumph. Doch Meyen korrigierte gegenüber dem Online-Magazin multipolar.de, für das er auch schreibt: Bei der Anfrage der Uni an die Schlapphüte gehe es gar nicht um ihn, sondern um den DW. Eine Nachfrage Multipolars, ob das zutreffe, wollte die Uni jedoch nicht beantworten. Und so halten die Medien bislang weiter an ihrer Schlagzeile, Meyen sei ein Fall für den Verfassungsschutz, fest. Der hat inzwischen einen Teilrückzug angetreten und das DW-Herausgebergremium wieder verlassen. 

Treffend faßt Multipolar den Stand der Affäre zusammen: Diese zeige „einmal mehr, wie Medien Druck gegen Intellektuelle aufbauen, die gegen den Strom schwimmen, und wie vermeintlich freie Institutionen dem nachgeben“. Und es ist schon kurios: Meyen scheint tatsächlich in eine Meinungsblase gedriftet zu sein, in der auch viel Spinnertes zirkuliert, doch die Kanonen-auf-Spatzen-Reaktion seiner Kritiker tut alles, um seine angebliche Verschwörungstheorie von der Diskursunterdrückung durch Medien und Politik vollauf zu bestätigen.


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