© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Volk ist vorbei
Mit den richtigen Einwanderern gegen den Great Reset kämpfen
Werner Olles

Die Lage der politischen Rechten hierzulande ist prekär, man zweifelt mehr und mehr an der effektlosen Dauerkritik an einem System, das trotz aller Verwerfungen und eines politischen Führungspersonal, das jeder Beschreibung spottet, offenbar das Geheimnis der ewigen Stabilität entdeckt hat. Neue Konzepte müssen also her, da das deutsche Volk nun rasend schnell zur Disposition steht. 

Simon Kießling, Germanist und Philosoph, der mit einer Studie über die antiautoritäre Revolte der 68er promoviert hat, präsentiert in seinem Büchlein „Das neue Volk“ Lösungen, die auf den ersten Blick verführerisch erscheinen, bei näherem Anschein jedoch viel von ihrem Glanz verlieren. Man hat zwar Dialektik studiert, ja sogar darüber promoviert, aber um für Intellektualität Werbung zu machen, ist offenbar nichts trivial genug. Der Rezensent, der sich die alte/neue Gesellschafts- und Klassenanalyse nicht ausreden lassen will, bedauert dies, denn Kießling scheitert auf eine wirklich tragische Weise an seinem Sujet. 

Denn während die Bundesrepublik mit ihrer Kakistokratie (Herrschaft der Schlechtesten) auf der schiefen Ebene ihrer Begehrlichkeiten immer tiefer ins Dekadente und Degenerierte rutscht und sich etwas anbahnt, an dem man eigentlich nicht mehr partizipieren möchte, geschieht im Weltmaßstab das, was Heidegger ein „Ereignis“ oder eine „Erscheinung“ nennt: Die Geschichte wird jetzt wahr und kommt zu ihrer Vollendung. Doch statt einer Metakritik dieses inneren Zusammenhangs von moderner Geschichte und gesellschaftlichem Ganzen, damit dieser Zusammenhang von Aufklärung und Gegenaufklärung, Moderne und Antimoderne deutlich wird, schlägt man sich lieber auf die bessere, lichtere Seite, um nicht den „Dunkelmännern“ des Cäsarismus zu verfallen. Dieser wird dann auch nur mit ein paar Sätzen gestreift. 

Die moderne Verwertung der biologischen Hardware des Menschen treibt üppige Blüten, und die „bürgerliche Persönlichkeit“, das hat Kießling richtig erkannt, ändert daran nicht die Bohne. Die starken Gefühle von Spenglers „kulturellem Seelentum“ werden den Untergang des Abendlandes, mit dem es übrigens bereits am 4. August 1914 unwiderruflich vorbei war, nicht aufhalten, ob mit oder ohne David Engels’ Hesperialismus. Als Reich der institutionalisierten Lügen ist Europa geistig und moralisch nicht mehr zu retten. In den identitären Erweckungsgesängen (Reconquista) manifestiert sich ein Mobilisierungsaufruf in der Tradition chiliastischer Selbstmobilisierung. Die Instrumentalisierung des Fremdkulturellen durch den Vorgang des Assimilierens und Archaisierens dient jedoch lediglich der negativen Selbstdefinition, denn was angeeignet wird, entspricht immer dem eigenen Mangel.

Simon Kießling: Das neue Volk. Kaplaken 83. Verlag Antaios. Schnellroda 2022, gebunden, 88 Seiten, 10 Euro