© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Bedeutsame Quelle für eine schrumpfende Minderheit
Die Publizistin Trudla Malinkowa hat ein bemerkenswertes Handbuch sorbischer Gedenk- und Erinnerungsstätten vorgelegt
Jürgen W. Schmidt

Die Sorben gehören zu den „pflegeleichtesten“ nationalen Minderheiten in Deutschland. Bedeutende Deutsche waren sorbischstämmig. Dazu gehören der deutsche Reformator und Schwiegersohn von Philipp Melanchthon namens Caspar Peucer, der Maler Carl Blechen, der Schriftsteller Erwin Strittmatter oder der Dresdener Computerpionier Nikolaus Joachim Lehmann (1921–1998). Der preußische Kriegsheld von den Düppeler Schanzen 1864, der Pionier Carl Klinke (sorbisch „Karlo Klinka“), war ein Niederlausitzer Sorbe. Auch der NS-„Reichsjugendführer“ Baldur von Schirach entstammte einer alten, später geadelten Oberlausitzer „Pfarrerdynastie“ mit dem sorbischen Familiennamen Šerach. Letzterer ist übrigens im vorliegenden Handbuch nicht erwähnt. 

Leider wird die Zahl der aktiv noch Sorbisch sprechenden Deutschen immer geringer, wie auch das sorbische Sprachgebiet in Ober- und Niederlausitz beharrlich schrumpft. Die sorbische Wissenschaftlerin Trudla Malinkowa (Gertrud Mahling) hat deshalb im Rahmen eines Forschungsauftrags des Sorbischen Instituts in Bautzen ein Handbuch verfaßt, welches alle sorbischen Denkmale und Gedenkstätten in der Oberlausitz und Niederlausitz, im gesamten Deutschland und selbst im Ausland (in den USA, Australien, Kanada und Dänemark, der Tschechischen Republik, in Polen und in der Slowakei) vorstellt. Zugute kommt der Autorin, daß Malinkowa selbst sehr aktiv bei der Erhaltung und Neugestaltung sorbischer Denkmäler und Grabstätten mitwirkt, ebenso bei deren Wiederauffindung und anschließender Restaurierung. 

DDR- und Wendezeit überstanden viele sorbische Denkmäler nicht

So gelang es, 2009 nahe dem Oberlausitzer Dörfchen Auritz nach intensiver Suche eine der ältesten deutsch-sorbischen Inschriften, verfaßt auf einer Granit-Stele um 1790, wiederaufzufinden. Man hatte sie beim Auffüllen einer Sandgrube zu DDR-Zeiten „aus Versehen“ verschüttet. Leider dokumentiert das Handbuch nicht die häufig bei Besitzerwechsel in Privathäusern, nach Ablauf von Liegezeiten auf Friedhöfen oder durch schlichten Vandalismus noch in jüngster Zeit verlorengegangene sorbischer Denkmäler. Das dem Pionier Klinke vom Brandenburgischen Pionierbataillon 3 gewidmete aufwendige Denkmal in seinem Heimatort Bohsdorf-Vorwerk, unweit der Erwin-Strittmatter-Gedenkstätte gelegen, wurde zu DDR-Zeiten aus ideologischen Gründen zuerst seiner kriegerischen Insignien beraubt und fiel schließlich um 1970 gänzlich einem Straßenneubau zum Opfer. An den tapferen Preußen Klinke erinnern aber noch heute in Berlin-Spandau der Klinke-Platz und ein weiteres Denkmal. Aus ideologischen Gründen fielen dann nach 1989/90 die Denkmäler und Gedenkorte von Sorben mit kommunistischer Geistesausrichtung dem veränderten Zeitgeist zum Opfer. In Malschwitz etwa wurde gleich nach der Wende 1989/90, obwohl dessen Geburtshaus noch von der Familie bewohnt war, die an den kommunistischen Domowina-Vorsitzenden Kurt Krenz erinnernde Gedenktafel abgenommen. Ebenso wurde das nach dem sorbischen KPD-Mitglied und Stalin-Opfer Willi Budich (1890–1938) benannte Fliegertechnische Bataillon der NVA aufgelöst. Erhalten geblieben ist hingegen in Brissing die an den sorbischen Nationalisten Ernst Bart (1870–1956, sorbisch „Arnost Bart“) erinnernde Gedenktafel. Bart trat 1919 bei den Friedensverhandlungen in Versailles für die Abtrennung der Lausitz an die Tschechoslowakei ein, weshalb er nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich 1920 wegen Hochverrats zu mehrjähriger Festungshaft verurteilt wurde.

Verfasserin Malinkowa macht lobenswerterweise um die Ereignisse von 1945 keinen Bogen, als infolge heftiger Kämpfe mit sowjetischen und polnischen Truppen in der Oberlausitz viele sorbische Gedenkorte und Gedenkstätten vernichtet wurden. Dabei wurde der sorbische Volksschriftsteller Jan Nali (1887–1945) von sowjetischen oder polnischen Soldaten in einem Wäldchen bei Kleinwelka ermordet, ebenso wie der bekannte sorbische Intellektuelle und Journalist Johann Skala (sorbisch „Jan Skala“), auf der Evakuierung in Niederschlesien befindlich, hier am 22. Januar 1945 durch Sowjetsoldaten zu Tode bekam. 

Für das in aufwendiger und in fleißiger, jahrzehntelanger Forschungsarbeit entstandene Handbuch ist der Verfasserin Malinkowa nicht nur aus Perspektive der Minderheit Dank zu zollen. Das Werk besitzt eine große Bedeutung als Quelle zum Leben der Sorben in Deutschland. 

Trudla Malinkowa: Sorbische Denkmale – Handbuch sorbischer Gedenk-und Erinnerungsstätten. Domowina-Verlag Bautzen 2022, gebunden, 370 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro