© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Raffinierte „Food Governance“ statt plumper Verbote
Das Private wird immer politischer

Unsere Ernährung, mag sie auch Ausdruck jeweiliger kulinarischer, kultureller, religiöser oder auch moralischer Prädispositionen sein, gilt traditionell als Privatsache. Die Idee einer politischen Intervention in diesen Bereich der Privatsphäre löst darum immer noch, allen jüngeren Debatten über die Frage zum Trotz, ob, wieviel und welches Fleisch wir essen sollen oder dürfen, den Vorwurf staatlicher Übergriffigkeit aus. Um diesen Widerstand zu brechen, empfiehlt die seit 2016 als Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches Recht und Völkerrecht mit dem Schwerpunkt Food Governance, Umwelt-, Klima- und Tierrecht tätige Juristin Saskia Stucki, auf „plumpe Verbote“ zu verzichten. Denn dem Staat stünde für eine von ihr für unabdingbar gehaltene „Fleischreduktionspolitik“ ja ein „weitaus raffinierteres Instrumentarium“ zur Verfügung. So ließen sich vermeintlich individuelle Konsumentscheide durch Informationskampagnen oder „Nachhaltigkeitslabel“ lenken. Stärker dürften jedoch fiskalische Maßnahmen wie die Neuausrichtung der Agrarsubventionen weg von klimaschädlicher Tier- hin zu klimafreundlicher Pflanzenproduktion wirken. Als nächste indirekte Verhaltenssteuerung sollte zur „Herstellung von Kostenwahrheit“ eine Fleischsteuer eingeführt werden, flankiert von einem Werbeverbot für Fleischprodukte und der Umstellung des öffentlichen Beschaffungswesens, so daß etwa Kantinen von Kitas und Grundschulen ausschließlich ein vegetarisches Einheitsmenü anbieten. Bei allen Maßnahmen sei stets zu betonen, sie würden getroffen „natürlich unter Wahrung der individuellen Konsumhoheit“ (Max Planck Forschung, 1/2023).


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