Inflation zerstört unser Geld. Sie vermindert Sparanreize, verzerrt Kauf- und Investitionsentscheidungen – und es gibt ein Gerechtigkeitsproblem: Sparer werden inflationär enteignet, Haushalte mit hohen Ausgabenanteilen für Miete, Nahrungsmittel und Energie erleiden besonders starke Realeinkommensverluste. Letzeres hat direkte und indirekte Preiseingriffe gesellschaftsfähig gemacht: eine EU-Übergewinnsteuer für fossile Energiekonzerne, einen Preisdeckel für Strom, Gas, Fernwärme und Mieten. Aktuell erscheinen sogar Preiskontrollen, wie man sie aus Nachkriegs- oder DDR-Zeiten kannte, als plausible Lösung. Anlaß ist ein Papier der VWL-Professorin Isabella Weber (University of Massachusetts Amherst): Statt Leitzinserhöhungen mit der Gefahr eines Anleihen- und Banken-Crashs sowie einer Pleitewelle bei Firmen werden hier regierungsseitige Preiskontrollen à la Franklin D. Roosevelts „New Deal“ von 1933 vorgeschlagen.
Hintergrund sind US-Daten und solche des Euroraumes, nach denen Unternehmensgewinne vornehmlich für die Preissteigerungen verantwortlich sind. Danach gingen in den USA 2022 steigende Profite zu 54 Prozent in die Inflation ein, während die Lohnstückkosten lediglich acht Prozent beitrugen. Im Euroraum hatten in den Sektoren Landwirtschaft, Energie/Versorger, Industrie, Bau und Nahrungsmittel im Zeitraum Ende 2019 bis Ende 2022 die Gewinnsteigerungen einen höheren Anteil an der Inflation als Lohnerhöhungen. BMW, Bosch, Hapag Lloyd, Porsche, Viessmann oder Mercedes weisen aktuell hohe Gewinne aus, während die Reallöhne in Deutschland im dritten Quartal 2022 um 5,7 Prozent fielen. Was liegt da näher, als eine Preis- oder Profitkontrolle zu fordern? Es lohnt ein Blick auf die eigentlichen Preistreiber. Die zu Zeiten der massiven Anleiheankäufe angelegten Geldhorte wurden mit dem Ende der Covid-Beschränkungen aufgelöst – hier muß das Zentralbankgeld direkt durch die Abgabe der Wertpapiere und/oder Leitzinserhöhungen wieder eingesammelt werden. Lieferkettenprobleme, Rohstoffengpässe und Fachkräftemangel sprechen für Verknappungen des Angebots.
Das Ergebnis sind Knappheitsgewinne, die im Zeitverlauf erodieren werden. Hinzu kommen staatliche Regulierungen nicht nur bei Energie, die zu steigenden Kosten geführt haben. Preisbegrenzungen würden diese Anpassung verzögern, da die Anreize einer „Entknappung“ verlorengingen. Investitionen in Kapazitätserweiterungen und technischen Fortschritt würden gehemmt. Sollten die Preise gar langfristig zu Verlusten führen, würde das Angebot weiter eingeschränkt werden. Umgehungen, Schwarzmärkte und Qualitätsminderungen könnten attraktiv werden. Es käme zu einer zurückgestauten Inflation. An was will der „Preiskommissar“ die „richtigen“ Preise ausrichten? Eine umfangreiche Bürokratie mit Überwachung, Kontrollen und Verfolgung von Vergehen würde notwendig. Was kurzfristig als Lösung erscheint, fährt langfristig gegen die Wand. Der Mietwohnungsmarkt spricht Bände. Sollten – wie behauptet – marktmächtige Oligopole die gestiegenen Kosten für Vorleistungen zu weiteren Aufschlägen nutzen, so wären das Kartellamt und die Wettbewerbspolitik gefragt. Kein Abdriften in eine DDR 2.0, sondern eine Rückbesinnung auf eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik scheint angeraten.
Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.