Jetzt ist es soweit: Finnland ist als 31. Mitgliedsstaat der Nato beigetreten. Das ist ein historischer Schritt, denn Helsinki hatte seit seiner Unabhängigkeit von Rußland 1917 stets vorsichtig zwischen den Machtblöcken laviert und großen Wert auf seine Neutralität gelegt. Der Meinungsumschwung unter den 5,5 Millionen Einwohnern setzte ein, als Rußland im Februar 2022 die Ukraine angriff. Bereits drei Monate später bat es gemeinsam mit Schweden um Aufnahme in die Nato.
Damit wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, der am vergangenen Dienstag mit der Übergabe der finnischen Beitrittsurkunde an US-Außenminister Antony Blinken (Demokraten) im Nato-Hauptquartier in Brüssel formal beendet ist. Das Bündnis wächst damit um eine Streitmacht von 24.000 Soldaten mit rund 239 Kampfpanzern, davon 100 Leopard 2A6 und 100 eingelagerte Leopard 2A4, sowie etwa 5.400 gepanzerte Fahrzeuge, und 14.000 Mann paramilitärischer Einheiten. Verfügt die Bundeswehr über 38 MRLS-Raketenartilleriesysteme, so besitzen die Finnen mehr als 75.
Da Finnland an einer allgemeinen Wehrpflicht festgehalten hat, kann es im Kriegsfall rund 900.000 Reservisten mobilisieren, die sowohl an russischen als auch an westlichen Waffensystemen ausgebildet sind. Allerdings wächst mit dem Beitritt Finnlands auch die direkte Grenze der Nato zu Rußland um 1.300 Kilometer.
Finnland gehört laut Zahlen des britischen Forschungsinstituts für internationale Beziehungen (IISS) schon jetzt zu den Staaten, die jährlich zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in ihren Militärhaushalt investieren. Dieser Anteil gilt als Richtwert für Nato-Staaten, wird jedoch von mehreren Vollmitgliedern nicht erreicht. Auch Deutschlands Verteidigungsbudget lag in den vergangenen Jahren oftmals unter dem Zwei-Prozent-Ziel.
Das Land setzt auf die Nato als Garanten, nicht vom großen Nachbarn geschluckt zu werden. Entsprechend verschnupft fallen die Reaktionen in Moskau aus. „Die Erweiterung der Nato ist ein Angriff auf unsere Sicherheit und die nationalen Interessen Rußlands“, teilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit. Sein Land sei jetzt zu „Gegenmaßnahmen gezwungen“. Dazu zählt die Verstärkung der militärischen Kapazitäten im Westen und Nordwesten.
Berlin und Washington zeigen sich erfreut über den finnischen Beitritt
Allerdings sei die Situation nicht mit dem befürchteten Nato-Beitritt der Ukraine zu vergleichen, so Peskow. Mit Finnland habe es keinen Streit gegeben, weswegen sich das Verhältnis zu dem skandinavischen Land fundamental von dem zur Ukraine unterscheide. Dabei dürfte Peskow auch berücksichtigen, daß für Finnland als EU-Mitglied bereits eine militärische Beistandspflicht im Notfall existiert.
Die Reaktionen aus dem Westen auf den finnischen Beitritt fielen indes positiv aus. Die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock (Grüne), sagte beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel, dadurch werde die Nato stärker. „Das ist ein Tag der Freude, weil Finnland gewinnt damit ein Mehr an Sicherheit. Und wir gewinnen damit als Nato einen starken Partner an unserer Seite.“ Gleichzeitig bedauerte sie, daß Schweden nicht ebenfalls in den Kreis des Militärbündnisses aufgenommen wurde. Dessen Beitritt wird aktuell durch das Nato-Mitglied Türkei blockiert. Für die Aufnahme eines neuen Mitglieds bedarf es der Einstimmigkeit durch die Mitglieder.
Auch US-Präsident Joe Biden (Demokraten) zeigte sich erfreut über die Erweiterung des Bündnisses. „Heute sind wir vereinter denn je. Und zusammen – gestärkt durch unseren neuesten Alliierten Finnland – werden wir weiterhin die Transatlantische Sicherheit erhalten, jeden Zoll des Nato-Territoriums verteidigen und allen Herausforderungen begegnen, die sich uns stellen“, sagte er laut einer schriftlichen Mitteilung des Weißen Hauses.
Moskau wird jetzt genau beobachten, ob Helsinki die Stationierung von Nato-Truppen und dabei speziell US-Einheiten auf seinem Gebiet genehmigt und inwieweit Nato-Manöver auf finnischem Gebiet stattfinden werden. „Finnland, das der Sicherheit aller Nato-Mitgliedstaaten verpflichtet ist, wird ein zuverlässiger Verbündeter sein, der die regionale Stabilität stärkt“, sagte Präsident Sauli Niinistö (Nationale Sammlungspartei) und fügte wohl mit Blick auf Moskau hinzu: Die finnische Mitgliedschaft richte sich gegen niemanden.