© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Meldungen

Razzia bei deutschem EU-Abgeordneten 

Brüssel. Belgische und deutsche Polizeibeamte haben die Zentrale der Europäischen Volkspartei (EVP) am 4. April in Brüssel durchsucht. Die belgische Polizei leiste damit Rechtshilfe für die deutschen Kollegen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, Hannes Grünseisen. Konkret im Verdacht steht der thüringische CDU-Vorsitzende Mario Voigt. Ihm wird vorgeworfen, im EU-Wahlkampf 2019 bestochen worden zu sein. Die Ermittler untersuchen, ob Voigt einer Jenaer Firma einen Auftrag gegeben hat, nachdem er von dieser Firma Geld erhalten habe. Die EVP bestätigte die Untersuchungen auf ihrer Internetseite, äußerte sich jedoch nicht weiter zu den Vorwürfen. Bei der EVP handelt es sich um einen EU-weiten Zusammenschluß christdemokratischer und konservativer Parteien, zu dem unter anderem die CDU und die österreichische ÖVP gehören. Sie ist die älteste und derzeit mitgliederstärkste Fraktion im EU-Parlament. (st)





Estland hat eine neue Regierungskoalition 

Tallinn. Estland hat eine neue Regierungskoalition. Etwa fünf Wochen nach der Parlamentswahl in dem baltischen Land haben sich die wirtschaftsliberale Reformpartei, die Sozialdemokraten sowie die zentristische Partei Estland 200 auf eine Koalition geeinigt. Das teilte die amtierende Ministerpräsidentin Kaja Kallas (Reformpartei) mit. „Diese Vereinbarung stellt sicher, daß Estland geschützt ist, daß wir als unabhängiges und selbständiges Land weitermachen können“, sagte Kallas mit Blick auf die Einigung. Bei den Wahlen am 5. März wurde die Reformpartei mit rund 31 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, gefolgt von der rechtskonservativen Ekre-Partei mit 16 Prozent. Drittstärkste Partei wurde die linksliberale estnische Zentrumspartei mit rund 15 Prozent, gefolgt von der liberalen Partei Estland 200 mit etwa 13 Prozent und den Sozialdemokraten mit rund 9 Prozent. Wie bereits seit 2005 möglich, konnten stimmberechtigte estnische Bürger digital wählen. Mehr als die Hälfte der Stimmen wurden auf diese Weise abgegeben, ein Rekord. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei rund 63 Prozent. Die bisherige Ministerpräsidentin Kallas wird auch die künftige Regierung anführen, die Koalition aus ihrer wirtschaftsliberalen Reformpartei, den Sozialdemokraten und der liberalen Partei Estland 200 kommt im neuen Parlament auf 60 der 101 Sitze. Großer Verlierer der Wahl ist die konservative Isamaa-Partei. Sie erhielt acht Prozent der Stimmen, etwa vier Prozent weniger als bei der Wahl 2019. Sie wird von der Regierung in die Opposition wechseln. Die erst 2018 gegründete Partei Estland 200 kommt erstmals ins Parlament und wird auch an der neuen Regierung beteiligt. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine Erhöhung der Mehrwert- und Einkommenssteuer vor. Auch soll der Fokus auf die Klimapolitik verstärkt werden und die Unterstützung der Ukraine intensiviert werden. Neben der Inflationsrate von fast 19 Prozent war die Debatte über die eigene Rolle im Ukraine-Krieg ein Kernthema im Wahlkampf. Estland, das eine 294 Kilometer lange Grenze zu Rußland hat, gilt als engagierter Unterstützer Kiews. Die neue Regierung sieht sich in dem Wahlergebnis bestätigt und kündigte an, in den kommenden vier Jahren drei Prozent des eigenen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungszwecke ausgeben zu wollen. (st)