© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Grüße aus … New York
Wenigstens gibt’s Pizza
Dennis Paulsen

Die einleitenden Worte der Leiterin der Revision der Niederlassung einer europäischen Bank in New York City sprechen Bände: „Das ist eine etwas schwierige Situation, aber wir dürfen hier nicht den Überblick verlieren.“ Unlängst sind die Silicon Valley Bank sowie die Signature Bank von der US-Regierung gerettet worden. 

Die Leiterin versichert, daß die Liquidität der Bank gesichert sei und die Mitarbeiter sich keine Sorgen machen müßten. Der Aktienpreis des Unternehmens spricht jedoch eine andere Sprache. Mitarbeiter, die im Vorjahr die Mitarbeiteraktien zum sogenannten Vorzugspreis erhalten hatten, haben da schon 25 Prozent verloren. Die Revisionsleiterin plädiert an die anwesenden Rechnungsprüfer, vorsichtig zu agieren, da die Federal Reserve Bank uns aktuell untersuche.

Die US-Regierung in Washington wirkt über­fordert mit der Aufklärung der vergangenen Pleiten.

Immerhin: Es gab Pizza. Der italienische Exportschlager führt in der anschließenden Vorlesung über eine regulatorische Neuorientierung zu leichter Schläfrigkeit. Es war weise vom Senior Management, die fett- und kalorienreiche Mittagsspeise zu servieren, so wird weniger gefragt und die Veranstaltung geht zügiger zu Ende.

Es werden Graphiken gezeigt, welche die hohen Versicherungskosten aktuell im Kreditmarkt in den USA zeigen. Die Kreditausfälle werden ebenfalls höher prognostiziert, wobei das Management glaubt, daß die Regierung alles tun werde, um die Finanzkrise nicht eskalieren zu lassen. Auch in Wahington wurde wohl Pizza serviert, wenn man sieht, wie behäbig die Aufklärung über die Pleiten läuft.

Es mutet seltsam an, wie kleinteilig der Verfall in New York City seit meinem ersten Besuch hier verläuft. Oberflächlich ist alles beim alten geblieben, und die Panik von 2001 und 2008 blieb in diesem Jahr aus, trotz einer viel ernsteren Gesamtlage im Finanzwesen. Es ist fast so, als habe man einfach aufgegeben, etwas zu reparieren und zu modifizieren.

Mir kommt der Vergleich zur Titanic in den Sinn, wobei sich die Gäste nun entschieden haben, statt in die Rettungsboote zu steigen, lieber die Zeit bis zum Untergang an der Bar zu verbringen. Als die Präsentation die Konsolidierung der Banken in den USA in den vergangenen Dekaden zeigt, geht ein Raunen durch den Raum.

Die Leiterin spricht davon, daß wir ein wenig mehr aufpassen müßten hinsichtlich der Eigentümerstruktur bei unseren Kredituntersuchungen, denn bei den bisherigen Opfern der Finanzkrise erwiesen sich die Eigner als nicht hilfreich. So schließt die Veranstaltung, und beim Herausgehen sehe ich, daß einige Anwesende ihre Pizzareste in den Papier-Recycling-Korb geworfen haben. Auch eine Art zu zeigen, was man von dem Ganzen hält.