Für die Arbeit der Bundesregierung gelten ungeachtet ihrer jeweiligen Zusammensetzung im wesentlichen drei Prinzipien: das Kanzler-, das Ressort- und das Kollegialprinzip. Laut Verfassung verfügt der Bundeskanzler über die Richtlinien- und Leitungskompetenz, vereinfacht ausgedrückt: Er hat den Hut auf und sagt, wo es langgehen soll. Das also ist das Kanzlerprinzip.
Das Ressortprinzip besagt, daß innerhalb dieser Richtlinien des Regierungschefs die jeweiligen Bundesminister ihren Geschäftsbereich selbständig und eigenverantwortlich leiten, also für die konkrete Umsetzung der Politik zuständig sind. Und das letzte wiederum, das Kollegialprinzip, besagt, daß bestimmte Entscheidungen von der Bundesregierung gemeinsam getroffen werden und daß – wie es in der Geschäftsordnung heißt – „alle Angelegenheiten von allgemeiner innen- und außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller und kultureller Bedeutung“ dem Kabinett zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten sind. Das Verhältnis zwischen diesen drei Prinzipien muß stets ausbalanciert werden; auf welchem von ihnen der Schwerpunkt liegt, kann in der Praxis durchaus wechseln.
Zu betrachten ist das derzeit etwa in der Sicherheitspolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz hat unter dem Stichwort „Zeitenwende“ die Richtung vorgegeben und eine radikale Neuausrichtung – Sondervermögen Bundeswehr, Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen – angekündigt. Konkret umsetzen muß das nun der vor einem knappen Vierteljahr ins Amt gekommene Verteidigungsminister. Und Boris Pistorius krempelt dafür erst einmal das ihm unterstehende Haus organisatorisch und personell um. Kurz vor Ostern wandte er sich mit einem internen Schreiben an die Soldaten und Mitarbeiter seines Hauses. Darin kündigt er einen „erforderlichen Veränderungsprozeß“ und „personelle Veränderungen in Spitzenpositionen“ an, die er „so transparent wie möglich“ darlegen wolle. Dazu werde er in Kürze zu „Mitarbeitendenversammlungen“ einladen. Außerdem schreibt der Minister: „Meine Analyse, daß wir uns als Haus mit Blick auf die neuen Herausforderungen besser aufstellen müssen, teilen viele von Ihnen.“
Zu den Neuerungen des Ministers in Sachen Organisation gehört die (Wieder-)Einführung eines Planungs- und Führungsstabes; den hatte einer seiner Vorgänger, Thomas de Maizière (CDU), vor rund zehn Jahren abgeschafft. Zu den heiß diskutierten Spekulationen über eine möglicherweise bevorstehende Ablösung des für das Beschaffungswesen zuständigen Staatssekretärs sowie des Abteilungsleiters Ausrüstung äußerte sich Pistorius in dem Schreiben noch nicht. Zugeschrieben wird ihm das Bonmot, mit dem Organigramm des Verteidigungsministeriums würde man im ersten Semester Verwaltungswissenschaften durchfallen. An Versuchen, das zu ändern, hat sich schon mancher die Zähne ausgebissen. Auch Pistorius wird nicht alles nur gemäß des Ressortprinzips alleine regeln können. Für manches braucht er erst grünes Licht vom Kanzler und vom Kabinett.