© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/23 / 14. April 2023

Ländersache: Saarland
Ins Wespennest gestochen
Christian Schreiber

Mit solch harschen Reaktionen hat Christian Jung wohl nicht gerechnet. Der 59jährige gilt in seiner Heimat, der saarländischen Kleinstadt Friedrichsthal, als „Sozi“ von altem Schrot und Korn. Als Jung vor gut zwei Jahren die Direktwahl um den Bürgermeistersessel in der 11.000-Einwohner-Gemeinde gewann, da war ihm das Lob von Parteifreundin Anke Rehlinger sicher. „Ich kenne Christian als engagierten Kommunalpolitiker, der sich mit Herzblut und großer Erfahrung für die Menschen in allen Stadtteilen einsetzen wird“, schrieb die Chefin der Saar-SPD und damalige Oppositionsführerin seinerzeit. 

Seit kurzem dürfte das Verhältnis merklich abgekühlt sein. Rehlinger, die vor rund einem Jahr einen deutlichen Wahlsieg einfuhr und seither über eine absolute Mehrheit verfügt, soll sich dem Vernehmen nach mächtig über ihren Parteifreund geärgert haben. Jung hatte in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz heftige Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung geübt. Er monierte darin fehlende Unterstützung für die Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung, teilte aber auch kräftig gegen die Asylbewerber selbst aus: Diese verursachten in der Unterkunft „Zustände, die jeder Beschreibung spotten“, zeigten „blanke Zerstörungswut“ gegen Gebäude und Mobiliar, seien „leistungsfähig, aber nicht im besten Sinne leistungswillig“. Der Städte- und Gemeindebund habe beim Flüchtlingsgipfel einen „Masterplan“ zur Unterbringung, Integration, Verteilung sowie Finanzierung gefordert. Doch dieser Ruf sei „ergebnislos verhallt“, schrieb Jung weiter. „Die Kaltschnäuzigkeit und Respektlosigkeit, die damit zum Ausdruck gebracht wurde, ist nicht zu überbieten.“ 

Der Brief war kaum im Kanzleramt angekommen, da hagelte es schon Kritik. Zwar habe der Kommunalpolitiker in der Sache recht, „durch seinen zum Teil rassistischen Tonfall spielt Jung aber rechten Hetzern in die Hände und schadet dem wichtigen Anliegen der Kommunen“, kommentierte das stets peinlich auf Politische Korrektheit bedachte regionale Monopolblatt Saarbrücker Zeitung. Der Friedrichsthaler Brandbrief werde bei seinen Parteifreunden in Berlin sicher nicht zum Umdenken in puncto Unterstützung der Kommunen führen. 

Nachdem die im Saarland ansonsten heillos zerstrittenen Grünen „rassistische Hetze“ in Jungs Schreiben festgestellt hatten und aus der Staatskanzlei lediglich zu vernehmen war, es handele sich um eine nicht abgestimmte Einzelmeinung, war die Gesprächsbereitschaft im kleinen Bundesland, wo jeder jeden kennt, erstaunlich gering. Kaum ein Bürgermeister wollte sich öffentlich äußern. Geäußert hat sich aber der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT): „Der Brief von Herrn Bürgermeister Jung aus Friedrichsthal war nicht mit dem SSGT abgestimmt, und wir erfuhren von diesem erst auf Presseanfragen hin“, so Geschäftsführer Stefan Spaniol, der aber zu „Inhalt und Tonfall“ keine Stellungnahme abgeben wollte. Hinter vorgehaltener Hand aber heißt es, Jung habe in ein Wespennest gestochen. „Aber sag das mal öffentlich, dann bist du in den Medien gleich ein Rassist“, meinte ein Landtagsabgeordneter. Anonym versteht sich.