© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/23 / 06. April 2023

Kabinenklatsch
Tante Käthe weckt Erinnerungen
Gil Barkei

Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Achtelfinale: Deutschland gegen die Niederlande. An diesem letztlich siegreichen Abend wird ein kleiner Berliner Junge, der sich partout weigerte ins Bett zu gehen, inmitten seines Vaters und dessen lautstarker Kumpels zum Fußballfan. Einer der bewunderten Recken mit der schwarzrotgoldenen Zick-Zack-Welle quer über dem weißen Trikot ist ein Schnurrbartträger mit aussagekräftigen Vokuhila-Locken. Und in eben jene spuckt ihm damals Hollands Frank Rijkaard. Der Junge und „Tante Käthe“ – wie die erwachsenen Männer den Deutschlandspieler skurrilerweise nennen – sind beide außer sich. Der Junge bekommt rote Wangen, der Spieler sogar eine rote Karte; was für eine Ungerechtigkeit!

Gut zwanzig Jahre später freut es mich um so mehr, daß Rudi Völler immer noch sein Herz auf der Zunge trägt und sich nichts gefallen läßt. Auch nachdem er sich als neuer DFB-Sportdirektor für die Kapitänsbinde in den Nationalfarben statt in „One-Love“-Bunt ausgesprochen hatte und dafür die übliche langweilige Kritik einstecken mußte, bleibt er am Ball und dribbelt sich stabil durch die Zeitgeistabwehrkette. 

Wenn der einstige Stürmer den Klimaklebern rät, das „bitte nicht im Süden von Europa“ zu machen, weil dort „das Verständnis der Polizei und Bevölkerung nicht ganz so groß wie bei uns“ sei, kommen Erinnerungen an den Kabinenklartext im eigenen Jugendverein hoch. Wenn er betont, „auch nicht zu gendern“, sondern mit „voller Überzeugung“ sagt, „daß er an der alten Schreibweise festhalten“ werde, meine ich, wieder einen Hauch roten Schotterplatzstaub zu schmecken. Danke, Rudi!