© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/23 / 06. April 2023

Die Ukraine, ein Störfaktor der Berliner Rußlandpolitik
Deutsche Blindheit
(dg)

Wesentliche Folge jahrzehntelanger „Rußlandfixiertheit“ der deutschen Außenpolitik sei es gewesen, daß die Ukraine eher als Störfaktor der deutsch-russischen Beziehungen galt. So habe, erinnert die Münchner Osteuropa-Historikerin Franziska Davies in ihrem bis zu Willy Brandt zurückgehenden Rückblick auf die „Ostpolitik“, der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach der russischen Besetzung der Krim im Dezember 2014 den „unbedingten Wunsch“ geäußert, ohne Rücksicht auf die Ukraine zu den „guten Beziehungen“ zu Moskau zurückzufinden. Die Ukraine tauche in dieser Rede lediglich als Ort der „Ukraine-Krise“ und „Auslöser von Rußlands Krieg“ auf, den der deutsche Chefdiplomat nicht einmal beim Namen zu nennen wagte. Trotzdem nahm Steinmeier für sich in Anspruch, „eine ehrliche Analyse der Realität“ zu leisten (Aus Politik und Zeitgeschichte, 10–11/2023). Tatsächlich hätten er und Kanzlerin Angela Merkel die Lage gründlich verkannt und daher 2015 für eine Aufhebung internationaler Sanktionen gegen Rußland geworben. Vielleicht hätte eine weniger illusionäre Politik Putins Angriffskrieg nicht verhindert, aber diese „deutsche Blindheit“ habe sein Bild vom schwachen Westen gefestigt und ihm die Entscheidung zur „Totalinvasion“ sicher erleichtert. 


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