© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/23 / 31. März 2023

Bald so alt wie die Zuschauer
Das ZDF wird 60: Vom Geist des einstigen konservativen Gegengewichts ist nichts mehr übrig
Frank Hauke

Als Konrad Adenauer vor 60 Jahren das ZDF als Gegengewicht zur damals bereits linkslastigen ARD gründen ließ, konnte er nicht ahnen, daß sich sein Baby zu einem ARD-Klon ohne Regionalberichterstattung verselbständigen würde. Heute sind die politischen Magazine des Senders fest in der Hand der Leute, die vergleichbar sind mit jenen, die der erste Bundeskanzler neutralisieren wollte.

Unter den Moderatoren Marietta Slomka und dem vor 15 Monaten abgetretenen Claus Kleber hat sich das „Heute-Journal“ zum verlängerten Arm grüner Ideen entwickelt. Dazu paßt einer der Manipulationsskandale des ZDF. Dies geschah, als der Sender, dessen Verwaltungsratsvorsitzende seit sechs Jahren die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Manuela Dreyer (SPD) ist, „Deutschlands Beste“ kürte. 2014 schob man Kleber entgegen dem Abstimmungsergebnis viele Plätze nach vorn und den RTL-Moderator Peter Kloeppel auf eine hintere Position.

Direkter Draht zu SPD-Politikern

Das ZDF gestattete sich auch keinen kritischen Beitrag über Dreyer, als 2021 die Flut ins Ahrtal und damit über deren Bundesland hereinbrach. Unter anderem politisches Versagen, worüber Dreyers damalige Kabinettskollegin Anne Spiegel (Grüne) später als Bundesfamilienministerin stürzte, kostete mehr als 180 Menschen das Leben. Wie eine Studie des Schweizer Unternehmens „Media Tenor“ ergab, verbreiteten ZDF und ARD zu Dreyer 93 Berichte, 20 waren positiv, der Rest neutral.

Umgekehrt war das Verhältnis im Fall Nord­rhein-Westfalen, wo das Hochwasser ebenfalls wütete. Über Länderchef Armin Laschet (CDU), Kanzlerkandidat der Unionsparteien, färbten die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen 112 Beiträge negativ – das sind 25 Prozent. Der Rest entsprach der Neutralität, zu der die Sender verpflichtet sind.

Aber das ZDF, das am 1. April 1963 offiziell seinen Betrieb begann, hat auch große Erfolge zu verbuchen. Die „Schwarzwaldklinik“ brach – von Sportübertragungen abgesehen – alle Quotenrekorde. Und das „Traumschiff“ gehört bis heute zu den Klassikern, auch wenn der Sender das Niveau inzwischen politisch korrekt angepaßt hat.

Zurück zu den Anfängen: Ohne Ankündigung strahlte das ZDF in den frühen Morgenstunden des 20. März 1963 eine Dokumentation über Hongkong aus. Zuvor hatte es seinen Schriftzug verbreitet und bat kurz darauf die Zufalls-Zuschauer um Resonanz. Per Postkarte sollten sie die Empfangsqualität beschreiben. Beim offiziellen Start zwölf Tage später verfügten 61 Prozent der Fernsehbesitzer über ein Gerät, mit dem sie den Sender schauen konnten. Der Rest verfolgte weiterhin nur die ARD.

Seinen 60. Geburtstag nutzt das ZDF auch, um seine eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Gründungsintendant Karl Holzamer, der den Sender von 1962 bis 1977 leitete, habe „falsche Angaben über seine Biographie während der NS-Zeit gemacht“, teilte die Anstalt mit. Demnach habe der Philosophie-Professor, der 2007 im Alter von 100 Jahren verstarb, seine „zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbständig aufgelöste Anwartschaft reduziert“.

Heute wird das ZDF auch als „Kukident-Sender“ verspottet, denn der Altersdurchschnitt der Zuschauer liegt bei 65 Jahren. Nun will die Anstalt ihr Publikum verjüngen. Dazu zählt auch ein geplantes Streaming-Netzwerk mit der ARD. Demnächst startet das Projekt mit Dokus und Kultursendungen, wie das ZDF ankündigte. Man wolle die Erfahrungen damit auswerten und die Kooperation dann auf alle Formate ausdehnen. „Wir haben zusammen mit der ARD die technischen Voraussetzungen für einen Austausch der Inhalte geschaffen, ohne dafür neue kostenintensive Strukturen aufzubauen“, so Intendant Norbert Himmler.

Ebenfalls in der Planung ist eine Art „Staats-Twitter“. Als Gegenpol zum Original, das unter dem neuen Besitzer Elon Musk wieder vielfältige Meinungsfreiheit zuläßt, möchte das ZDF ein neues soziales Medium aufbauen, das internationale Reichweite erzielt. Daher haben die Mainzer öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten anderer Länder ins Boot geholt. Dabei sind Kanadas CBC, die Schweizer SRG SSR und das belgische RTBF. Laut ZDF sei es das Ziel, „online-basierte Lösungen zu entwickeln, um bürgerliches Engagement und den demokratischen Diskurs im digitalen Raum abseits von Haßkommentaren und zunehmender Desinformation zu ermöglichen“.

Apropos Desinformation: In einer „Wissens“-Sendung zu bedrohten Bienen behauptete das ZDF gerade erst, die Tiere würde Weizen bestäuben. Richtig ist: Das Getreide ist ein Selbstbestäuber.