Vor zwölf Jahren wollte der Volkswagen-Konzern Toyota und General Motors (GM) als größte Autohersteller ablösen. Doch der US-Absatz war mau, die Amerikaner mögen große Pick-ups und bequeme SUV – doch die waren bei Audi und VW kaum im Angebot. Deshalb wurden Millionen in eine Werbekampagne für die „Clean Diesel“-Fahrzeuge Golf, Jetta und Passat sowie von Audi investiert. Diese hatten einen geringeren Liter-Verbrauch als die durstigen Benziner von Ford, Chevrolet & Co. Und sie sahen ansprechender aus als Toyota-Vollhybride.
Doch die Rednecks und deren Frauen mögen keinen Dieselgeruch, sie verbinden damit Lastwagen und Busse. Zudem ist Diesel in God’s Own Country pro Gallone (3,78 Liter) etwa einen Dollar teurer als Normalbenzin. Und noch viel schlimmer: VW machte sich angreifbar, denn die Konkurrenz, Fachleute und Umweltaktivisten wußten selbstverständlich, daß „Clean Diesel“ ohne hohen technischen Aufwand praktisch unmöglich ist. 2015 platzte die Bombe: Die US-Umweltschutzbehörde EPA warf VW Verstöße gegen den Clean Air Act vor – und bislang kostete „Dieselgate“ die Wolfsburger über 32 Milliarden Dollar.
Auch in Europa kam der Dieselmotor sofort in Verruf, denn auch Fiat, Opel, Mercedes, Renault & Co. konnten nicht zaubern: Auch sie nutzten im Realbetrieb clevere Abschalteinrichtungen zum Motorschutz. Nur auf den Prüfständen war die Abgasentgiftung voll wirksam. Doch die VW-Konkurrenz war nicht so naiv zu glauben, US-Behörden hinters Licht führen zu können. Die Aufdeckung des „Dieselgate“ übernahm aber nicht die EPA selbst, sondern der 2005 in der „Steueroase“ Delaware – Joe Bidens Heimatstaat – gegründete International Council on Clean Transportation (ICCT).
Und der gemeinnützige „Rat für saubere Verkehrsmittel“ (Non-Profit-Organisation nach dem Gesetz 26 U.S.C. § 501 c 3) ist inzwischen faktisch viel mächtiger als das Dessauer Umweltbundesamt (UBA) oder der Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe (DUH). Der ICCT ist international vernetzt, mit Ablegern in Europa, Südamerika, Asien, Australien und Afrika – und genügend Geld ist offenbar vorhanden. Ein Großteil des ICCT-Etats in den USA finanzieren private Stiftungen: So überwies 2019 die William and Flora Hewlett Foundation laut Geschäftsbericht 1.083.333 Dollar. Die kalifornische Stiftung des kanadischen Internetmilliardärs Jeffrey Skoll gab 1,5 Millionen Dollar, die Familienstiftung von Mark Heising und Liz Simons machte mehrfach sechsstellige Beträge locker, und der „grüne“ National Philanthropic Trust aus Pennsylvania war mit 500.000 Dollar dabei.
Und passend zur Niederlage von Mercedes vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der einem Dieselauto-Besitzer wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung („Thermofester“) Schadenersatz zusprach, legte der ICCT nur zwei Tage später nach: Eine neue Studie halte „verdächtig hohe Stickoxidemissionen“ (NOX) bei bei 150 Diesel-Modellen für „sehr wahrscheinlich“. Es gehe dabei um Pkws mit Euro-5- und Euro-6-Zulassung, „von denen zwischen 2009 und 2019 rund 53 Millionen Fahrzeuge in Europa verkauft wurden“. Der ICCT-Bericht habe dazu Labor- und Praxistestdaten von Regierungsbehörden und Umweltvereinen ausgewertet.
Sind die synthetischen Kraftstoffe (E-Fuels) der neue Hauptfeind?
„Verdächtige“ NOX-Emissionswerte seien „bei mindestens 77 Prozent der offiziellen Tests von Dieselfahrzeugen festgestellt worden, was auf die wahrscheinliche Verwendung einer verbotenen Abschalteinrichtung hinweist“, heißt es in der „Neubewertung der NOX-Überschreitung bei Dieselfahrzeugen in Europa nach den Urteilen des EuGH“ (ICCT-Merkblatt 3/23). „Bei mindestens 40 Prozent der offiziellen Tests wurden extreme NOX-Emissionen festgestellt, was darauf hindeutet, daß mit ziemlicher Sicherheit eine verbotene Abschalteinrichtung vorhanden ist.“ Das für Pkw-Zulassungsfragen zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und das Verkehrsministeriums von Volker Wissing (FDP) sehen bislang keinen „Handlungsbedarf“.
Doch der ICCT dürfte nicht lockerlassen, denn dessen „Vision 2050“ lautet: „Dekarbonisierung des globalen Transportsektors“. Und zu den „wichtigsten Geldgebern“ in Europa gehören – laut eigener Aussage des ICCT – auch das deutsche UBA, die EU-Kommission und das UN-Umweltprogramm sowie die niederländische European Climate Foundation, die Londoner FIA Foundation, der Rockefeller Brothers Fund oder die in San Francisco beheimatete ClimateWorks Foundation – nicht zu verwechseln mit dem kalifornischen Climate Emergency Fund, der unter anderem die meist urdeutschen „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ finanziell fördert. Auch den Berliner „Klima-Volksentscheid“ finanzierten andere Geldgeber. Wovon die ICCT-Finanziers träumen, zeigt eine euphorische Studie vom 1. März über die „Verbreitung von batteriebetriebenen Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen in europäischen Städten“.
Volker Wissing und einige EU-Ministerkollegen setzten am Dienstag zwar eine Ausnahme für „E-Fuels“ beim ab 2035 geltenden Zulassungsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor durch – doch der ICCT dürfte dennoch nicht aufgeben. Denn synthetische Kraftstoffe, die „klimaneutral“ mit Ökostrom aus Wasser und CO2 hergestellt werden, sind bei Umweltaktivisten verpönt. Das untermauert eine neue Studie vom deutschen Ableger der New Yorker Unternehmensberatungsfirma Oliver Wyman. „Der Aufwand, um E-Fuels in großen Mengen herzustellen, ist gigantisch“, erklärte Fabian Brandt, Autoexperte bei Oliver Wyman in München, im Handelsblatt. „Die Voll-Substitution von Diesel und Benzin für den deutschen Pkw-Flottenbestand ist überhaupt nicht leistbar.“ Sprich: E-Autos sind viel besser. Und der ICCT, seine Finanziers und Tesla sehen das genauso.