© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/23 / 31. März 2023

Versagen der Finanzaufseher
Finanzmarkt: Sorgen um die Deutsche Bank / Firmen, Privatkunden und Märkte verunsichert
Thomas Kirchner

Jetzt ist auch die Deutsche Bank zur Deutschen Wackelbank geworden. Nach der Zwangsübernahme der Credit Suisse durch den Schweizer Konkurenten UBS und ungeschickten Äußerungen der US-Finanzministerin Janet Yellen stiegen Kreditausfallversicherungen (CDS) auf das größte deutsche Finanzinstitut auf ein neues Rekordhoch von über zwei Prozent –   höher als in der Covid-Krise im März 2020. Nur zwei Wochen zuvor lagen die Kosten bei lediglich 0,8 Prozent, Ende 2021 bei 0,4 Prozent. Auch für andere europäische Großbanken stiegen die Kosten, sich gegen eine Bankpleite zu versichern, deutlich, wenngleich auch weniger dramatisch.

Dabei steht die Deutsche Bank gar nicht so schlecht da: „Es gibt keinen Anlaß, sich irgendwelche Gedanken zu machen“, erklärte Olaf Scholz beim EU-Gipfel in Brüssel. „Die Deutsche Bank hat ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert und neu organisiert.“ Das stimmt. 2008 hatte sich der Börsenkurs auf ein Viertel reduziert, vorige Woche ging es nur um 20 Prozent bergab. Doch es geht derzeit um Vertrauen, nicht Fakten. Und das Vertrauen in die Banken ist in den letzten Wochen durch gleich mehrere Patzer der Finanzaufseher auf beiden Seiten des Atlantiks verpufft.

Fragliche Eigenkapitalquoten bei den europäischen Banken?

Die Eigenkapitalquote der Credit Suisse lag vor wenigen Tagen sogar noch etwas höher als die der Deutschen Bank. Trotzdem erklärten die schweizerischen Behörden die Bank zum insolventen Rettungsfall. Die dem Eigenkapital zugerechneten AT1-Anleihen wurden von den Behörden auf Null abgeschrieben. Nach dieser Erfahrung befürchten nun auch Anleger der Deutschen Bank, eines Morgens mit behördlich für wertlos erklärten Anleihen aufzuwachen. Die Erfahrung mit der Schweizerischen Finanzaufsicht läßt befürchten, daß Eigenkapitalquoten aller europäischen Banken frei erfunden sind – oder nach Gutdünken an politische Ziele angepaßt werden.

Nach der Zwangsfusion von Credit Suisse sah es zweieinhalb Tage lang so aus, als wäre die Bankenkrise vorbei. Doch dann goß die tolpatschige Janet Yellen Öl ins Feuer. Während Zentralbankchef Jerome Powell nach der neuesten Zinserhöhung die Märkte zu beruhigen versuchte, kündigte Yellen fast zeitgleich an, eine Ausweitung der US-Einlagensicherung sei nicht in Sicht. Damit löste sie einen starken Einbruch der Börse und insbesondere Bankaktien aus. Dadurch kamen auch in Europa Befürchtungen wieder hoch, die Bankenkrise könne in eine weitere Runde gehen. Bankaktien fielen und CDS stiegen. Katastrophen-Janet gestand wenige Stunden später ein, wie kurzsichtig ihre Bemerkung war, indem sie „zusätzliche Maßnahmen“ dann doch nicht mehr ausschließen wollte.

Doch damit nicht genug. Für Freitag berief Janet Yellen dann eine Sondersitzung des Ausschusses für Finanzmarktstabilität ein, in dem ein Dutzend US-Aufsichtsbehörden vertreten sind. Heraus kam dabei nichts. Warum dann eine Sondersitzung notwendig war, ist unklar. Vertrauen schafft das jedenfalls nicht gerade. Im Gegenteil: Es erweckt die Befürchtung, daß irgendwo ein großes Problem schlummert, das der Öffentlichkeit nicht bewußt ist. Die derzeitige Bankenkrise wird als Yellen-Krise in die Geschichtsbücher eingehen. Denn Yellen ist inzwischen umstrittener denn je. Im akademischen Betrieb mag sie brilliert haben, in der Praxis ist sie schon mehrfach gescheitert. Ihre Laufbahn als Regulierer begann sie als Chefin der Fed-Außenstelle in San Francisco, wo Wells Fargo und Countrywide unter ihrer Aufsicht standen, während beide Institute mit falschen Kontoeröffnungen beziehungsweise faulen Hypotheken Verbrauchern und Märkten schadeten. Fast alle aktuellen Probleminstitute liegen in ihrem ehemaligen Zuständigkeitsbereich.

Sie stellte die Bankenaufseher ein, die Probleme der beiden jetzt geschlossenen Institute in Kalifornien, Silicon Valley Bank und Silvergate, nicht erkannten. Auch in Kalifornien wurde die First Republic Bank durch ein Bankenkonsortium mit 30 Milliarden Dollar gestützt. Als Zentralbankchefin führte sie Bernankes Niedrigzinspolitik fort, welche die derzeitige Bankenkrise verursacht, in der sie, inzwischen zur Finanzministerin befördert, eine schlechte Figur macht. Schon wird spekuliert, Ministerin Yellen müsse nach einer weiteren Bankpleite unfreiwillig in den Privatsektor wechseln.

Erschwerend kommt hinzu, daß die AT1-Anleihen der Credit Suisse nicht der erste fragwürdige Totalverlust solcher Instrumente in Europa sind, sondern schon das dritte solche Vorkommnis. Vor Credit Suisse war schon die holländische SNS dran – eine Klage der Anleger hängt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, wo die Anleger weiter auf eine 80prozentige Rückzahlung hoffen. Rechnet man die im zehnjährigen Prozeß aufgelaufenen Zinsen mit ein, könnte es richtig teuer für den holländischen Steuerzahler werden.

Eine sofortige Rettung mit Steuermitteln wäre billiger gewesen als ein verlorener Prozeß. Ähnlich fragwürdig ging es bei der Lissaboner Banco Espírito Santo zu. Die portugiesischen Behörden schrieben überwiegend von Ausländern gehaltene AT1-Anleihen ab, während portugiesische Institutionen neue Anleihen des Auffanginstituts erhielten. Auch hier laufen noch Prozesse, die für den portugiesischen Steuerzahler teuer werden können.

Kommt es nun zu einer Kreditklemme in Europa?

Durch die wiederholten Patzer europäischer Bankenaufseher sind AT1-Anleihen jetzt zu einer toxischen Anlageklasse geworden, deren Renditen stark gestiegen sind, was nicht unbedingt die Risiken im Bankensektor reflektiert, sondern das Risiko, daß Behörden wie in den drei Fällen der Vergangenheit auch in Zukunft AT1-Anleihen vertragswidrig auf Null abschreiben. Als Ergebnis ist es jetzt für Banken deutlich teurer geworden, Eigenkapital aufzunehmen.

Und genau der Schuß könnte noch nach hinten losgehen. Denn alle Banken reduzieren derzeit wegen der gestiegenen Zinsen ihre Bilanzsummen. Je schwieriger der Zugang zu neuem Eigenkapital ist, desto stärker müssen die Bilanzen schrumpfen. Das bedeutet, daß sie die Kreditvergabe reduzieren. In den USA stellen Banken dort nur 19 Prozent der Unternehmenskredite bereit, der Rest wird über Anleihen finanziert. In Europa finanzieren Banken aber 80 Prozent der Kredite, so daß es in der augenblicklichen Lage schnell zu einer Kreditklemme kommen kann. US-Zentralbankratsmitglied Neel Kashkari sprach am Wochenende von schrumpfenden Kreditvolumen, die zusammen mit Zinserhöhungen die Inflation bekämpfen. Doch das wird auch Kreditausfälle zur Folge haben.

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