Banken brechen zusammen, und doch erhöhen die US-Fed und die EZB die Zinsen um 0,25 bzw. 0,5 Prozent. Wenn die Liquidität knapp wird und steigende Zinsen die Anleihen in ihren Büchern faktisch entwerten, hätten beide Zentralbanken das Gegenteil tun müssen. Doch sie wollten zeigen, daß sie es mit der Anti-Inflations-Politik ernst meinen. Christine Lagarde sieht zwei Inflationsursachen: den exogenen Angebotsschock durch Rußlands Ukraine-Einmarsch und die folgende Energiekrise sowie den Nachfrageschock nach dem Ende der Corona-Krise. Das hätte die Preise getrieben. Die EZB-Präsidentin wäscht ihre Hände in Unschuld, kann aber nicht erklären, warum im Februar 2023 die Preise in der Schweiz nur um 3,4 Prozent und in der Eurozone um 8,5 Prozent stiegen.
Die EZB hat das inflationäre Umfeld selbst geschaffen: In der Eurozone kamen 82 Prozent des Überhangs der Zentralbankgeldmenge durch Ankauf von Staatspapieren zustande. Zusätzlich wurden die Leitzinsen auf null gesetzt, um den überschuldeten Euro-Staaten den Weg zum Billigstgeld freizuhalten. Wenn die Banken in Geld schwimmen und die Nullzinsen rentierliche Anlagemöglichkeiten eliminieren, gehen sie höhere Risiken ein, um überhaupt noch Geschäfte zu machen. Sie sind freigebig bei der Kreditvergabe und kaufen Staatsanleihen, weil bei fortdauernder Geldschwemme ihre Bestände höher bewertet werden.
Wenn dann die Zentralbanken umschwenken, um die Inflation in den Griff zu bekommen, werden die Banken auf dem falschen Fuß erwischt. Die erhöhten Zinsen entwerten ihre Anlagen, denn neue Schuldpapiere werden höher verzinst. Das bringt sie in Liquiditätsnöte. Das ist unausweichlich, wenn zuvor die Zinsen künstlich abgesenkt wurden. An diese Erkenntnis der Wiener Schule der Nationalökonomie hat Friedrich August von Hayek immer wieder erinnert: Bei künstlichem Niedrigzins werden unrentable Produktionswege eingeschlagen, das Geld wird in dauerhaft nicht rentable Wertpapieranlagen gelenkt. Das haben die Zentralbanken und viele Ökonomen vergessen. Sie argumentierten: „Wir leben inzwischen in einer neuen Welt.“ Nun hat uns die alte Welt wieder eingeholt.
Weil nach dem Schwenk der Zentralbanken Geld knapper wird und die Liquiditätsnot Banken in Richtung Abgrund drückt, entdecken meine Professorenkollegen plötzlich, daß deren Kapitalquote zu niedrig sei und daß schärfere Regeln zur Bankenregulierung notwendig seien. Genau das haben wir schon bei der Bankenkrise 2007/08 gehört. Und wir werden das auch bei der nächsten Bankenkrise hören. Entscheidend ist aber die Verzerrung der relativen Preise auf den Geld- und Kapitalmärkten: künstliche Absenkung der Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln oder um die Eurozone zusammenzuhalten und dann die unausweichliche Umkehr, um die Inflation zu bekämpfen. Wenn die Zentralbanken nun eine Lawine von Bankpleiten auslösen, werden sie das Ruder wieder herumwerfen. Es ist zu vermuten, daß wir im März die letzten Leitzinserhöhungen gesehen haben.
Frau Lagarde hat schon eine Erklärung für den Schwenk zur Hand: Preistreibende exogene Schocks werde es in Zukunft nicht geben. Wir können gespannt sein, ob die Gewerkschaften da mitspielen.
Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom. Er war Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft und EU-Abgeordneter.