Gruppen von Polizisten mit Schutzschilden säumen den zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament. Der Verkäufer am Bus-Ticket-Schalter vermutet den übermorgen anstehenden „Tag gegen Rassismus“ als Ursache dafür. Ein „breites Bündnis“ aus „über 100“ Kleinorganisationen hat zu einem „Marsch gegen Diskriminierung“ aufgerufen: Gender-Community, Zigeuner- und Migranten-Organisationen, HIV-Positive, psychisch Kranke, religiöse Minoritäten „und viele andere“.
Offenbar wurde von den Behörden kein friedlicher Marsch erwartet, zumal dieser sich erfahrungsgemäß ohnehin nur gegen solche Diskriminierungen richtet, die der linken Gemeinschaft in den ideologischen Kram passen. Den Bus jedenfalls könne ich am nächsten Tag wegen des Stadtmarathons ohnehin nicht nehmen, erklärt der Verkäufer.
Ein Demonstrantenpaar weiß selbst nicht so recht, wogegen hier eigentlich protestiert wird.
Tags darauf sind aus diesem Grund wirklich zahlreiche, mit Flatterbändern abgesperrte Hauptverkehrsadern komplett autofrei. Und plötzlich erscheint doch eine kleine Demonstration. Etwa 50 nicht mehr jugendliche Leute ziehen lautstark und zügig mit dem „N“-Symbol der Hausbesetzerszene über die Straße.
Es wirkt wie eine Karnevalsparade, begleitet von einem Pappmaché-Drachen und zwei bunten Schwellköpfen. Fast erschrocken wirkt ein Demonstrantenpaar, als ich es frage, worum es ihnen eigentlich ginge. Ihre Erklärung wirkt äußerst schlicht und maximal vage: Es seien vor allem Künstler. Und die Demonstration richte sich gegen alles, was die griechische Regierung im allgemeinen so mache.
Linke Politfolklore ist aber auch jenseits von Kundgebungen in Athen an allen Ecken und Enden deutlich zu erkennen. Graffiti beklagen über 4.000 „ermordete Menschen“ an der griechischen Grenze, zeigen Hammer und Sichel oder bekennen sich gegen die offenbar auch in Griechenland aktiven „Nazis“. Oder sie erklären ein Grundschul-Gebäude zum „Antifa-Zentrum“. Wie langweilig.
Weit mehr allgemeines Interesse erfuhren hingegen die Massendemonstrationen nach dem tödlichsten Eisenbahnunfall in der griechischen Geschichte. Ein ICE und ein Güterzug waren am 1. März frontal zusammengestoßen. „Das liegt an mangelnder Koordination und veralteter Technik des griechischen Zugnetzes. 57 Menschen mußten sinnlos sterben“, erklärt der deutschsprachige Kellner eines Restaurants.
Dagegen hätten die protestfreudigen Griechen den harten Corona-Lockdown erstaunlich brav und klaglos hingenommen. Nun aber strafen sie die regelmäßigen Zugdurchsagen zur Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Großteil mit Ignoranz.