© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/23 / 31. März 2023

Von oben bevormundet
Nur noch Verbote: Wie Europäische Union und Ampel-Regierung die Bürger mit grünen Vorschriften drangsalieren
Holger Douglas

Die Heizung soll weg – das Auto soll weg – auf Fleisch, Öl und Gas soll verzichtet werden: die grüne Verbotsliste wird immer länger und betrifft mittlerweile nahezu jeden Lebensbereich der Deutschen. Die Öko-Utopisten sehnen sich nichts sehnlicher herbei als endlich ein Staatsgebilde umfassend zu transformieren, ohne daß sich der Bürger dagegen wehrt. Diejenigen, die sich nicht um schnöde Erwerbsarbeit in der Privatwirtschaft kümmern müssen, können mit einer Verlängerung der Verbotsliste trefflich ihre Tage ausfüllen. Da sie wesentliche Schaltstellen des Staates gekapert haben, können sie entsprechende Hebel stellen, und der Apparat funktioniert weiter – noch.

Denn die Widersprüche zur Realität werden immer größer. Elektroautos entpuppen sich als Ladenhüter, sobald Subventionen wegfallen. Die Menschen kaufen wider alle politischen Direktiven Autos, mit denen sie preisgünstig hinreichend weite Strecken fahren können. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage wollen 40 Prozent einen Benziner oder Diesel kaufen, nur 16 Prozent ein Elektroauto.

Es sind zwei Welten, die aufeinanderprallen, mehr Gegensatz geht eigentlich nicht. Der Bürger, der sich einreden lassen muß, seine Glühlampen für den Klimaschutz wegzuwerfen, Staubsauger mit minderer Saugleistung zu kaufen und keine regenstabilen Plastiktüten mehr verwenden zu dürfen, und die grünen Eliten, die der Bevölkerung ihren Irrsinn aufzwingen wollen.

Doch in Berlin zeigt das Ergebnis des Volksentscheids über die Klimaneutralität der Stadt bis 2030, daß den Einschränkungen im Namen des heiligen Klimas auch Grenzen gesetzt sind. Die Initiative verfehlte das nötige Quorum deutlich, dabei gab es nicht einmal eine wirkliche Gegenkampagne. Die hohe Zahl von 423.418 Nein-Stimmen gegen 442.210 Ja-Stimmen erstaunte, schließlich handelt es sich bei der Hauptstadt um die vermeintliche Hochburg der linksgrünen Bewegung. Trotz üppiger Finanzierung durch US-amerikanische Millionäre sowie der Unterstützung durch die dauerwerbende Medien- und Kulturlandschaft muß eine solche Kampagne eben nicht automatisch erfolgreich sein. Die grüne Trompete reichte gerade einmal bis an die Grenzen der Innenbezirke Berlins. 

Dabei hätte die Begleitpropaganda nicht günstiger sein können. Kurz vor der Abstimmung schmetterte der Weltklimarat IPCC seine jüngsten Alarmmeldungen über Kippunkte, schmelzende Polkappen, Hitzerekorde und andere Untergangsszenarien hinaus. Doch die verfingen ebensowenig wie früher Bußpredigten des Pfarrers in der Dorfkirche. 

Die nächste Frage für einen Volksentscheid müßte jetzt sein: Wer will eigentlich das festgelegte Klimaziel, laut dem Deutschland bis spätestens 2045 einen angeblich klimaneutralen Zustand erreichen soll? Kommt es zu einer direkten Befragung, siegt eher die Realität. Kein Wunder: Neben dem Heizungsverbot der Ampel-Regierung kommt nun auch noch eine Sanierungspflicht aus Brüssel auf viele Immobilienbesitzer und indirekt auch Mieter zu. In Deutschland könnten mehr als sieben Millionen Eigenheime davon betroffen sein, hinzu kämen rund 7,2 Millionen Wohnungen, erklärt der Verband „Haus & Grund“. Die deutsche Förderbank KfW prognostiziert Gesamtkosten von 254 Milliarden Euro. Absurde Zahlen fernab jeder Realität, die das Wahnbild deutlich machen.

Eigentlich eine Verrücktheit sondergleichen, daß fürstlich bezahlte Planungsstäbe, Staatssekretäre und EU-Minister solche Pläne schmieden, von denen bereits völlig klar ist, daß sie niemals realisiert werden können. Größer kann der Widerspruch zum normalen Volk kaum sein: hier die große Mehrheit – dort kleine Trupps, die davon leben, auch die absurdesten Vorschläge in die Welt zu posaunen. Heute steht eine brachiale Medienmacht auf der Seite der Guten, die auch noch die absurdesten Anwandlungen unterwürfig verbreitet. Auch die Führungsspitzen der großen Konzerne schwenken auf Linie ein und befeuern den Prozeß selbst durch die Einführung von grünen Klimazielen.

Die meisten Bürger sind diesem Ansturm scheinbar schutzlos ausgeliefert. Nicht wenige sind der Furcht einer Klimakatastrophe anheimgefallen und hängen in einem Gedankengebäude fest, laut dem sich das Klima wie mit einem Thermostat an der Heizung hinauf- und hinunterschrauben läßt. Also müsse eben eine rigide Politik her. Demonstrationen dagegen gibt es kaum. Jahrelanges Trommelfeuer hat die Bevölkerung auf den Untergang eingestimmt.

Beim Streit um das Verbrenner-Aus ab 2035 durch die EU präsentiert uns FDP-Verkehrsminister Volker Wissing nun die nächste Mogelpackung. Auch nach 2035 sollen Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, bejubelt er den beschlossenen Kompromiß mit der EU-Kommission. Das gilt aber nur, wenn sie ausschließlich mit CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt werden. „Technologieoffen“, wie er behauptet, ist dies nicht. Widerspruch zu den CO2-Zertifikaten gibt es ohnehin kaum, obwohl die dem Bürger pro Jahr mittlerweile mehr als 33 Milliarden Euro unter dem Deckmantel des Klimaschutzes aus der Tasche ziehen. Die Zertifikate sind seit dem mittelalterlichen Ablaßhandel das gerissenste Mittel, um Menschen auszuplündern. Mit dem Ablaßgeld erschuf die Kirche wenigstens ein Kulturgut wie den Petersdom, die Zertifikate hinterlassen lediglich Windmühlenruinen in der Landschaft.

Sinistre Bewegungen gab es zwar schon immer, okkultistische, technikfeindliche Maschinenstürmer. Sie verschwanden jedoch meist recht schnell, bevor ein Staatsgebilde an den Rand der Existenzfähigkeit gerät. Ihnen fehlte der wirksame Hebel, größeren Einfluß zu bekommen. Der steht heute mit Massenmedien und Internet zur Verfügung. Die Klima-Bewegungen verstehen es, diese Mittel für sich zu nutzen.

Das Bürgertum wirkt aufgrund des Dauerbeschusses mit Unsinn erschöpft. Landwirte, Handwerker und Mittelstand werden mit Verwaltungsvorschriften traktiert, daß sie kaum noch atmen können. Eine wildgewordene Gesetzgebungsmaschine pumpt Verbote im Takt eines Schnellfeuergewehres hinaus. Es hilft eigentlich nur: ignorieren. Denn deren Halbwertszeit wird – je überdrehter – immer geringer. Und so zeigt nicht nur das Beispiel Berlin: Zu all dem gibt es noch immer Widerstand. Vielen Jugendlichen, die mit ihrer Handarbeit noch etwas bewerkstelligen müssen und die noch einen Eindruck von Größenordnungen, Gewicht, Masse und Energie haben, sind grüne Gedanken zunehmend fremd. Dies wird sich verstärken. Und zum Troste: Die Deutschen waren immer gut im Wiederaufbau.