Fritz Vahrenholt analysiert in diesem Buch die Hintergründe und Ursachen der aktuellen Energiekrise und präsentiert Vorschläge für deren Lösung. „Die große Energiekrise“ kann als Ergänzung des 2020 erschienenen und gemeinsam mit Sebastian Lüning verfaßten Werks „Unerwünschte Wahrheiten“ angesehen werden. Während letzteres die Ursachen und Folgen des Klimawandels thematisiert und die herrschende Meinung in der Klimawissenschaft kritisch hin-terfragt, geht es bei dem vorliegenden Buch um die konkreten wirtschaftlichen Folgen der einseitig an diesen angeblichen klimawissenschaftlichen Fakten ausgerichteten Energiepolitik.
In gewohnt anschaulicher, gut verständlicher, aber dabei sachlich fundierter Manier rechnet Vahrenholt mit der deutschen Klimapolitik ab. Er weist zu Recht darauf hin, daß die aktuellen Probleme mitnichten ausschließlich Putin und dem Ukrainekrieg angelastet werden können. Dieser Krieg war nur der Auslöser, nicht die Ursache der Energiekrise. Deren eigentliche Ursache liegt vielmehr in einer ideologisch motivierten, technikfeindlichen und jede ökonomische Rationalität ignorierenden Energiepolitik. Diese brachte unter anderem eine Vernachlässigung von Investitionen in fossile Energien, die übereilten Ausstiege aus Kernenergie und Kohleenergie sowie die Verteufelung der Schiefergasförderung und von Technologien wie der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid mit sich. Alles wurde und wird auf die Karte der erneuerbaren Energien gesetzt, obwohl diese nicht grundlasttauglich sind und deshalb zur Netzstabilisierung und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit konventionelle Kraftwerke bereitgehalten werden müssen. Diese doppelte Energieinfrastruktur ist der Hauptgrund dafür, daß die deutschen Strompreise die weltweit höchsten sind (und zwar nicht erst seit dem Ukraine-Krieg). In dem Maße, wie durch Kohle- und Kernkraftausstieg diese Kraftwerksreserven nicht mehr zur Verfügung stehen, drohen zunehmend Stromrationierungen und Stromausfälle. Beides zusammen – die hohen Kosten und die mangelnde Versorgungssicherheit – werden über kurz oder lang zur Abwanderung wichtiger Industrien und zu großen Wohlstands- und Arbeitsplatzverlusten führen. Denn die Probleme der erneuerbaren Energien werden sich auch durch den vielbeschworenen Einsatz von Wasserstoff als Energiespeicher nicht lösen lassen. Die diesbezüglichen Hoffnungen werden sich schnell als Illusionen erweisen und an der harten Realität exorbitanter Kosten, großer Wirkungsgradverluste und mangelnder großtechnischer Eignung scheitern.
Vahrenholt lehnt erneuerbare Energien keineswegs grundsätzlich ab. Er sieht diese als sinnvollen und wichtigen Baustein der Energieversorgung, hält diese aber aus guten Gründen für ungeeignet, die gesamte oder auch nur den Großteil der Energieversorgung zu gewährleisten. Auch bezweifelt er weder die Realität des Klimawandels noch, daß die anthropogenen Treibhausgasemissionen eine Ursache desselben sind und hält deshalb eine Reduktion dieser Emissionen für geboten. In diesem Zusammenhang hat es Vahrenholt leider unterlassen, auf den geringen Anteil hinzuweisen, den Deutschland bzw. die EU an den globalen Treibhausgasemissionen hat (1,5 Prozent bzw. 6,8 Prozent im Jahr 2021). Ohne eine international koordinierte Klimapolitik, die es bis heute nicht gibt, haben deshalb alle noch so gutgemeinten und noch so teuren Klimaschutzanstrengungen in Deutschland und der EU praktisch keinen klimapolitischen Nutzen – was die aktuelle Energiepolitik ohnehin, und ganz abgesehen von den von Vahrenholt herausgearbeiteten Problemen, ad absurdum führt.
Nicht zuletzt deshalb ist Vahrenholt zuzustimmen, wenn er für eine Energie- und Klimapolitik mit Augenmaß und Vernunft plädiert. Die aus-schließliche Fixierung der Energiepolitik auf den Klimaschutz müsse beendet werden, Wirtschaft-lichkeit und Versorgungssicherheit dürften nicht länger vernachlässigt werden, und Technik und Wissenschaft dürften nicht länger ideologisch motivierten Tabus unterliegen, wenn Deutschland ein führendes Industrieland bleiben wolle. Wie eine solche Energiepolitik konkret aussehen müßte, zeigt Vahrenholt im letzten Kapitel seines Buches, in dem er „20 notwendige Schritte auf dem Weg aus der Großen Energiekrise“ präsentiert. Zu diesen gehören die Reaktivierung von Kern- und Kohleenergie, die Intensivierung der Fusionsforschung, die Förderung von Schiefergas im Inland und die Rücknahme der Verbote von Verbrennungsmotoren und Öl- bzw. Gasheizungen.
Vahrenholt führt dem Leser eindringlich vor Augen, wie irrational die aktuelle Energiepolitik ist und welche katastrophalen Folgen diese für unser Land und unseren Wohlstand haben wird. Nicht ohne Grund hat das Wall Street Journal die deutsche Energiepolitik als „die dümmste Energiepolitik der Welt“ bezeichnet.
Diese Energiepolitik ist aber leider nur ein Beispiel für die Dominanz der Gesinnungsethik in der deutschen Politik. Moral und gute Absichten zählen mehr als Vernunft und Fakten. Für eine verantwortungsethische Wende ist es allerhöchste Zeit – vor allem, aber bei weitem nicht nur, in der Energiepolitik.
Fritz Vahrenholt: Die große Energiekrise … und wie wir sie bewältigen können. Verlag Langen-Müller, München 2023, broschiert, 208 Seiten, 22 Euro