© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/23 / 24. März 2023

Frisch gepreßt

Schicksalsjahr 1923. Eigentlich möchte man meinen, zum deutschen Schicksalsjahr 1923 sei alles gesagt, jeder Stein umgedreht, jedes Dokument gesichtet. Und doch vermag es der ehemalige Chefkorrespondent der Welt am Sonntag, Bestsellerautor und promovierte Historiker Ralf Georg Reuth, die Geschichte dieses atemlosen Jahres noch einmal so fesselnd zu erzählen, daß einem beinahe schwindelt. Schon in den ersten Januartagen besetzen Franzosen und Belgier das Rheinland, der „Ruhrkampf“ entbrennt und in der Folge stürzt das entkräftete Reich in die Hyperinflation. Teile der Volkswirtschaft und des Bankenwesens kollabieren, Löhne werden fast wertlos, Arbeitslose strömen in blanker Not der republikfeindlichen KPD zu. Die kommt in Sachsen und Thüringen mit Hilfe der SPD an die Macht, in Hamburg und Teilen Holsteins unternimmt sie gar einen bewaffneten Putsch, in der Absicht, eine deutsche „Oktoberrevolution“ herbeizuführen. In München versuchen Hitler und Ludendorff ähnliches, nur ist ihr Vorbild Mussolinis „Marsch auf Rom“. Ins Memelland fallen litauische Kämpfer ein. In Aachen, Koblenz und Duisburg proklamieren Separatisten die „Rheinische Republik“, in Speyer eine „Pfälzische Republik“. Und als sich selbst Bayern vom Reich lösen will, kommt es zur Verhängung des Ausnahmezustands. Doch am Ende können alle Aufstände niedergekämpft, die Inflation gebremst und die Republik, die nach nur fünf Jahren schon wieder dem Tode geweiht zu sein schien, gerettet werden. Auch weil, wie Reuth schreibt, die Reichswehr „treu zur Republik steht“. Überhaupt erklärt der Autor so manchen linken Mythen den Krieg und schreibt mit spürbarer Anteilnahme am Schicksal seines Vaterlandes. (mo) 

Ralf Georg Reuth: 1923. Kampf um die Republik. Piper-Verlag, München 2023, gebunden, 333 Seiten, 28 Euro





Weiße Rose. Der evangelische Pfarrer Robert M. Zoske ist ein Fachmann für die „Weiße Rose“ und ihre Mitglieder. Bereits 2018 publizierte er eine Biographie über Hans Scholl. Nun hat er in komprimierter Form anläßlich des 80. Todestages der Protagonisten die Geschichte der gesamten Widerstandsgruppe in den Blick genommen und sich der Frage gewidmet, woher diese jungen Menschen den Mut aufbrachten, im Kampf gegen die NS-Diktatur ihr Leben zu riskieren. Vor allem die evangelische Frömmigkeit der Mutter, Magdalena Scholl, hat die Geschwister Hans und Sophie trotz anfänglicher, kurzer Begeisterung für die neuen Herrscher, immun gemacht gegen den stärker zutage tretenden Unrechtscharakter der Ideologie. Auch das Familienmotto „Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten“, ein Satz von Goethe, bezeugt den Hang zum freien Denken bei den Geschwistern. Doch auch die anderen Dissidenten werden in Zoskes Buch vorgestellt: Der russischstämmige und tiefgläubige Alexander Schmorell genau wie Willi Graf. Dieser schrieb auf Befehl der Gestapo wenige Monate vor seiner Hinrichtung seine politischen Überzeugungen nieder. „Jede Ordnung ist von Gott, so die Familie, das Volk, der Staat.“ Das Buch beschreibt auf weniger als 130 Seiten die Abläufe der Flugblatt-Aktionen, die Motivation der Protagonisten und deren tiefe Verwurzelung im Christentum und im Patriotismus, was in heutigen Darstellungen oft unterbelichtet bleibt. Kurzweilig, spannend und anschaulich geschrieben. (st)

Robert M. Zoske: Die Weiße Rose – Geschichte, Menschen, Vermächtnis.  Verlag C. H. Beck, München 2023, broschiert, 128 Seiten, 12 Euro