© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/23 / 24. März 2023

Eine verbrennerfreie Hauptstadt
Der Berliner Volksentscheid „Klimaneutral 2030“ hat viel Geld von Solarinvestoren und aus den USA erhalten
Fabian Schmidt-Ahmad

Ein Hauch von Revolution liegt in der Berliner Luft. 2,4 Millionen Wahlberechtigte sind am 26. März aufgefordert, ihre Stimme zum „Volksentscheid über ein klimaneutrales Berlin ab 2030“ abzugeben. Nach dem Katastrophenflughafen BER und der wiederholten Abgeordnetenhauswahl 2021 haben die Berliner wieder die Chance, sich deutschlandweit zu blamieren. Denn selbst die Berliner Grünen-Chefin Bettina Jarasch hält das Vorhaben für nicht umsetzbar. Gleichwohl unterstützt sie es. Klingt verrückt? Ist aber so. Willkommen in Berlin.

Dabei hatte der rot-rot-grüne Senat bereits 2016 ein Klimaschutz- und Energiewendegesetz verabschiedet. Vollmundig wird hier angekündigt, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent, bis  2030 „um mindestens 70 Prozent, bis zum Jahr 2040 um mindestens 90 Prozent und spätestens bis zum Jahr 2045 um mindestens 95 Prozent“ zu senken. Da in Berlin jeden Tag etwas kaputtgeht, könnte das sogar klappen. Andernfalls wären die Verantwortlichen bis dahin größtenteils in Rente. Doch wehe, wenn eine fanatisierte Jugend ernst nimmt, was sich Parteiideologen ausgedacht haben.

Eine totalitäre Gnadenlosigkeit schimmert grün immer durch

Seit Monaten wetteifern mehrere Klimagruppen darum, wer den Berlinern am meisten auf die Nerven geht. Gibt es einen Stau, weil irgendwer auf der Straße klebt, dürfte es sich um die „Letzte Generation“ handeln – das Geld vom kalifornischen Climate Emergency Fund gibt es nicht umsonst.Hat das Auto einen Platten und steckt ein Zettel dran – „Achtung, Ihr Spritfresser ist tödlich“ – werden wohl die „Tyre Extinguishers“ vorbeigeschaut haben. Ist es eine Brandruine, waren das eher Autonome, die Klimaschutz eigenwillig interpretieren. Alles begleitet von lautem Geschrei. Alles ganz furchtbar, die Erde liegt im Sterben, wir müssen dringend etwas machen. Ja, aber was denn genau?

Außer Panik und in Schockstarre auf der Straße liegen war nämlich bisher nicht ersichtlich, was die Klima-Quälgeister überhaupt von den Berlinern wollen. Dank des Volksentscheids herrscht nun Klarheit. Wer dachte, mit dem bisherigen Klimaschutzgesetz hätte sich die vom Länderfinanzausgleich durchgefütterte Hauptstadt bereits als Musterschüler präsentiert, wird eines Besseren belehrt: Es gibt immer einen, der will den großen Sprung nach vorn. In diesem Fall soll Berlin sein Klima-Utopia bereits 2030 erreichen. Und noch einen kleinen, aber wichtigen Unterschied gibt es. Statt von „Zielen“ spricht der Gesetzesentwurf nun von „Verpflichtungen“: aus Ideologie wird Ernst. 

„Nein. Wir wollen niemandem das Auto wegnehmen“, versprechen die Initiatoren. Du wirst es nur nicht mehr benutzen dürfen. „Eine Reduzierung des Autoverkehrs auf unbedingt notwendige Fahrten“ sei angebracht. Dazu gehört „eine verbrennerfreie Innenstadt als Anreiz zum schnellen Umstieg auf E-Autos“. Was ist mit den Kosten? „Die genauen finanziellen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die Kosten des täglichen Bedarfs sind sehr unterschiedlich“, heißt es verdruckst. „Aber alles läßt sich gesetzlich so gestalten, daß die Kosten sozial gerecht verteilt werden.“ Willkommen in der grünen Zwangswirtschaft. Die dürfte dann auch die Verteilung der knappen Energieressourcen entscheiden, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint.

Eine totalitäre Gnadenlosigkeit schimmert hier durch, die selbst der Berliner SPD unheimlich wird. Ausgerechnet die Partei, die während der Corona-Maßnahmen eine besondere Bürgernähe zum Polizeiknüppel entwickelte, warnt nun vor einem Ende der Demokratie. Besondere Brisanz besitzt laut SPD-Gutachten der Paragraph 6 „Sofortprogramm bei Nichterfüllung von Verpflichtungen“, der im derzeit gültigen Gesetz noch unverbindlich „Sofortprogramm bei Zielabweichung“ heißt. „Im Rahmen des vorgelegten Gesetzesentwurfs kommt dieser Paragraph einem Ermächtigungsparagraphen gleich“, mit dem die Demokratie „ausgehebelt“ werde, heißt es in dem SPD-Gutachten.

Offenbar ist den Genossen nicht klar, daß das genau der Sinn ist. „Verpflichtungen statt Ziele“ soll künftig nach Willen der Initiatoren gelten. „Dadurch werden Lücken für politisches Nicht-Handeln geschlossen und Sanktionsmechanismen bei Pflichtverstößen möglich.“ Und wer soll das kontrollieren? Da gibt es doch bereits den „Klima-Bürger*innenrat“ von hundert ausgelosten Personen, die als Empfehlung abnicken, was ihnen vorgelegt wird. Willkommen in der Räterepublik.

Eine professionelle Kampagne mit Kriegskasse von 1,2 Millionen Euro

Die Initiatoren sind keine randständige Gruppe. Dahinter steht eine professionelle Kampagne mit voller Kriegskasse: 1,2 Millionen Euro wurden laut Initiativen-Sprecherin Jessamine Davis eingeworben. Entsprechend großflächig wird plakatiert. Vor dem Abstimmungssonntag gibt es am 25. März ein „Berlin Climate Aid“-Konzert vor dem Brandenburger Tor mit Reden von Luisa Neubauer und Maja Göpel, Mitgründerin der „#Scientists4future“. Großspender sind grün-radikale Philanthropen und Investoren. Aus Amerika kommen 375.000 Euro über Stiftungen vom Investoren-Ehepaar Albert Wenger und Susan Danziger. 200.000 Euro stammen von der Haleakala-Stiftung, hinter der das Ehepaar Frauke Eysell und Paul Grunow steht. Grunow war Mitgründer der Solarfirma Q-cells. Der Climate-Impact-Investor Jochen Wermuth hat laut Landeswahlamt 100.000 Euro lockergemacht.

Als Kapitalinvestition womöglich gut angelegt, denn chancenlos ist der Volksentscheid nicht: Etwa 612.000 Ja-Stimmen (25 Prozent der Wahlberechtigten) reichen aus. Und was gestern noch Utopie war, ist heute zwar immer noch Utopie, aber mit Gesetzeszwang ausgestattet. Willkommen im real existierenden Berlin.

 www.berlin2030.org