© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/23 / 24. März 2023

Filmkritik Eine Handvoll Staub
Großbürger im Dschungel
Werner Olles

Die 1930er Jahre. Der englische Adelige Tony Last (James Wilby) gehört der gehobenen Gesellschaftsschicht an und bewohnt mit seiner Frau Brenda (Kristin Scott Thomas) und ihren beiden Kindern ein prunkvolles Anwesen. Umsorgt von einer Reihe Dienstboten, können sie sich fast jeden Luxus leisten und gelten als Traumpaar.

In Wahrheit ist ihre Ehe jedoch längst am Ende, denn Brenda fühlt sich vernachlässigt und gelangweilt. Als ihr kleiner Sohn bei einem Reitunfall tödlich verletzt wird, bricht ihre Welt total zusammen. Während sie sich in London eine eigene Wohnung mietet, in der sie ihren Liebhaber John (Rupert Graves) empfängt, bricht ihr Ehemann zu einer gefährlichen Expedition in den Dschungel des Amazonasgebiets auf. Nachdem Tony eine schwere Infektionskrankheit überstanden hat, erwacht er in der Hütte des eigentümlichen Mr. Todd (Sir Alec Guinness), einem analphabetischen Spross einer Eingeborenen und eines Engländers. Mr. Todd zwingt Tony, ihm täglich aus englischen Klassikern vorzulesen. Da er dieses Vorlesen als einzige Abwechslung genießt, ist er nicht geneigt, Tony jemals wieder gehen zu lassen …

Charles Sturridge inszenierte „Eine Handvoll Staub“ („A Handful of Dust“, 1988) nach dem gleichnamigen Roman von Evelyn Waugh. Als Zuschauer genießt man das elegant im Stil der 1930er Jahre präsentierte, wunderschöne Ambiente; das Kostümdesign wurde sogar für einen Oscar nominiert. Glaubwürdig erscheinen auch die Figuren, vor allem Kristin Scott Thomas, die ihre Rolle als untreue Ehefrau erstklassig spielt.

Daß die Inszenierung jedoch nicht ganz gelungen ist, zeigt sich darin, daß Waugh in seinem Roman der vergnügungssüchtigen Londoner Schickeria und dem dekadenten Adel die eigene Jugendzeit gegenüberstellt und sich in elegischen Bildern zu seiner exzentrisch-konservativen Weltanschauung bekennt. Diesen Abscheu bei Waugh vermißt man im Film schmerzlich. Ungewöhnlich sind auch die abrupten Schnitte und verwirrenden Rückblenden. Entschädigt wird man dafür durch glänzende Darsteller wie Alec Guinness, Anjelica Huston und Judi Dench, die in den Nebenrollen brillieren und „Eine Handvoll Staub“ zu einem anspruchsvollen Unterhaltungsfilm machen.

Als Bonus bietet die DVD einen Audiokommentar des Regisseurs und das deutsche Presseheft.

DVD: Eine Handvoll Staub. Pidax Film-Klassiker 2022, Laufzeit etwa 114 Minuten