Nahezu im Wochentakt schlägt die EU-Kommission neue Sieben-Jahres-Pläne vor, um Wirtschaft und Haushalte im Rahmen ihres „Green Deal“ mit Milliardenschulden und Zwangsmaßnahmen zu belasten. Ziel ist, die „Netto-Null-Emissionen“ bis 2050 umzusetzen. Auf „REPowerEU“ (grüne Energiewende) folgten der „European Chips Act“, „Global Gateway“ (Konkurrenz zum chinesischen Seidenstraßenprojekt), das Fast-Aus für den Verbrennungsmotor 2035, die Zwangsgebäudesanierungen (JF 12/23) und nun der „Net-Zero Industry Act“ (NZIA) und der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA).
Der NZIA heißt nicht so, weil er wie der Morgenthau-Plan von 1944 die deutsche Industrie auf null setzen will – obwohl dies genau der kumulative Effekt des Green Deal sein könnte. Er ist wie Joe Bidens Industriepolitik und dessen Inflation Reduction Act (IRA) eine Kopie von „Made in China 2025“, die Xi Jinping vor acht Jahren vorlegte und damals verlacht und nicht ernst genommen wurde. Alle wählen die gleichen Schlüsseltechnologien wie Mikrochips, erneuerbare Energien und Elektroautos aus, die nunmehr bei öffentlichen Ausschreibungen, mit Subventionen und gesicherter Materialversorgung staatlich begünstigt werden sollen und denen EU-weite Produktionsziele bis 2030 vorgegeben werden. Die Sowjetunion läßt grüßen. Doch hat China hier ohnehin mittlerweile einen Vorsprung von fast einem Jahrzehnt. Erfahrungen, die Deutschland mit staatlicher Technologiepolitik gemacht hat – „Schneller Brüter“/AKW Kalkar, Magnetschwebebahn „Transrapid“ als Milliardengräber –, zählen nicht.
Neuentdeckte Rohstoffdiplomatie und heimische Förderung?
Dann fiel der Kommission auf, daß für die Energiewende Unmengen an in der EU nicht abgebauten Rohstoffen aus höchst unsicheren Quellen benötigt werden. Zum Beispiel Seltene Erden und Magnesium aus China und Kobalt aus dem Kongo. In Summe ist die EU bei 17 von 30 dieser kritischen Rohstoffe zu über 95 Prozent von Quellen in Drittstaaten abhängig, von denen die wenigsten verläßliche Lieferanten wie Australien und Kanada sind, mit denen die EU Freihandelsabkommen geschlossen hat. Insgesamt praktizieren 53 Staaten der Erde – von Argentinien, über Angola, Ägypten bis China, der Mongolei und Indonesien – Exportverbote, -quoten oder -steuern. So blockierte China im Vorjahr Grundstoffe für Antibiotika und Schmerzmittel, als der eigene Bedarf wegen der massiven Corona-Infektionen dort stark anstieg. In Europa wurden die Medikamente knapp. Auch drosselte China 2021 die Lieferungen von Magnesium für Aluminiumlegierungen und den Fahrzeugbau. Deshalb sollen durch die Wiederbelebung des Bergbaus bis 2030 zehn Prozent der kritischen Rohstoffe in der EU selbst gefördert, 15 Prozent ihres Bedarfs durch Sekundärrohstoffe gedeckt und 40 Prozent zumindest in der EU raffiniert und zu Zwischenprodukten weiterverarbeitet werden.
Bis 2030 will die EU bei keinem kritischen Rohstoff zu mehr als 70 Prozent von einem einzigen Lieferland abhängig sein. Das Lithium für die E-Auto-Batterien soll – dank neuer Handelsabkommen – vor allem aus Lateinamerika kommen. Als sicherer Lieferanten der Seltenen Erden für die Windräder sind Australien und die Ukraine auserkoren. Nickel sollen Australien und Indonesien liefern und Platin für die Wasserstoff-Brennstoffzellen Südafrika. Die Diversifizierung der Bezugsquellen soll mittels einer wiederentdeckten „Rohstoffdiplomatie“, entsprechenden Abkommen wie mit Kasachstan und durch die Überwachung der Lieferketten auf Unterbrechungsrisiken erfolgen. Mit Hilfe der „Global Gateway“-Gelder von 300 Milliarden Euro sollen in stabilen Partnerländern Schürf- und Weiterverarbeitungsanlagen finanziert werden.
Die Genehmigungsverfahren für neue Bergwerke in der EU sollen von derzeit zehn Jahren auf zwei Jahre verkürzt werden. So wurden in Schweden große Vorkommen an Seltenen Erden und in Portugal solche von Lithium entdeckt, deren geplanter Abbau aber Widerstand hervorrief. Auf- und Weiterverarbeitungsanlagen sollen sogar innerhalb von zwölf Monaten genehmigt werden. Momentan liegt die Recyclingquote für Lithium und Seltene Erden aus den Autobatterien und Windrädern EU-weit bei null. Zusätzlich sollen strategische Vorratslager angelegt und finanziert werden. Ein „Europäischer Ausschuß für kritische Rohstoffe“ soll Lieferketten und geopolitische Risiken überwachen, die öffentliche Unterstützung für die nötigen Investitionen und Genehmigungen mobilisieren und zur Not Krisenmanagement betreiben.
Das ist überfällig. Und das Konzept ist nicht neu. Schon 2008 gab es eine EU-Rohstoffinitiative im Rahmen der „Europa 2020“-Strategie, die folgenlos in Brüsseler Schubladen sanft entschlummerte und nun klimawandlerisch entstaubt wurde. Nach dem mutmaßlichen Abtritt des schwarz-roten Duo Infernale Ursula von der Leyen/Frans Timmermans nach den Europawahlen 2024 wird den EU-Bürger über kurz oder lang sicherlich ein neues EU-Rohstoff- und Industriekonzept für eine abermals neue und glorreiche Zukunft erwarten, während der alte Kontinent gegenüber den USA und China weiter selbstzerstörerisch technologisch und industriell absteigt.
European Critical Raw Materials Act: ec.europa.eu