Die Deutsche Bahn (DB) gendert, stellt die Speisenwagenkarte auf vegan um, wirbt mit 100 Prozent Ökostrom und erhöht die Preise, um dann mit Sonderangeboten doch wieder Kunden zu locken – nur das eigentliche Geschäft hat sie nicht im Griff: die pünktliche Abfahrt und Ankunft von Zügen. Reisende können froh sein, überhaupt anzukommen und nicht auf halber Strecke an die Luft gesetzt zu werden, wie im ICE von Wiesbaden nach Dresden, der die sächsische Landeshauptstadt nicht erreichte, sondern in Erfurt aufgegeben wurde.
Immerhin erreichte die DB 2022, als Konzernchef Richard Lutz ein Grundgehalt von 900.000 Euro einstrich, einen Negativrekord: Im Jahresschnitt waren 35 Prozent der Fernzüge unpünktlich, über Monate jeder zehnte Regionalzug und auch im Güterverkehr häuften sich stehende Züge. Obwohl die Situation katastrophal ist und der Bahnvorstand die Bundesregierung seit Jahren „mit dem Prinzip Hoffnung, Vertröstungen und Hinweisen auf nicht beeinflußbare Faktoren“ hinhält, wurde zumindest eine Forderung durchgesetzt: Lutz erhält seit Jahresbeginn 90.000 Euro mehr Gehalt.
Natürlich fordert Lutz auch mehr Geld für die Bahn, doch die „Schere zwischen den finanziellen DB-Forderungen und der Qualität, in der sie ihre Leistungen erbringt, geht seit Jahren immer weiter auseinander“, moniert nun der Bundesrechnungshof (BRH). Vorstandsgehälter und -Boni der bundeseigenen AG stünden in keinem erklärbaren Verhältnis zum Geschäftsergebnis, so BRH-Präsident Kay Scheller. Das FDP-Verkehrsministerium wiegelt ab, schaut wie schon unter CSU-Führung hilflos zu, wie die DB ein hoffnungsloser Sanierungsfall wird, der zunehmend Milliarden Euro an Steuermitteln verschlingt.
Das Ministerium habe nach Jahren der Untätigkeit zwar „gravierende, finanzielle und betriebliche Probleme“ bei der DB anerkannt, „jedoch keine ausreichenden Schritte eingeleitet, um die sich verschärfende Dauerkrise zu lösen“, heißt es in der 30seitigen Analyse. Angesichts des hilflosen Agierens der Politik liefert der BRH nun „Hinweise für eine strukturelle Weiterentwicklung“ der Bahn. Gefordert werden „grundsätzliche Reformen, damit das System Eisenbahn seine verkehrs- und klimapolitische Rolle erfüllen“ könne.
14.768 Busse und Bahnen in zwölf Ländern und Drohnenlandeplätze?
Die Konzernverschuldung ist seit 2016 im Schnitt um fünf Millionen Euro pro Tag gestiegen – dennoch ist die Bahninfrastruktur weiterhin marode. Es kommt zu Anlagenausfällen durch Überalterung und zu Kapazitätsengpässen. Die betrieblichen Abläufe und der Personaleinsatz funktionieren immer weniger. Aus Kundensicht manifestiere sich das insbesondere in anhaltender Unzuverlässigkeit. Viele Züge fallen aus oder fahren nur verkürzt.
Dem Bund bescheinigt der BRH, zu wenig Einfluß zu nehmen und die Probleme der staatseigenen Aktiengesellschaft nicht mehr im Griff zu haben. Alle Geschäftsbereiche seien betroffen. Die Erträge sind rückläufig, in den bahnbezogenen Geschäftsfeldern kommt es zum Teil zu massiven Verlusten. Der Bund müsse „das umfangreiche Beteiligungsportfolio der DB AG überprüfen“, denn „weder der Betrieb von außereuropäischen Eisenbahnverkehren noch die Entwicklung von Drohnenlandeplätzen“ sei notwendig. Doch die Auslandsverkehrstochter DB Arriva, eine englische Public Limited Company (PLC) wurde erst 2010 milliardenschwer erworben. Ein Wiederverkauf scheiterte schon 2019: die erwartbaren Erlöse hätten unter dem Buchwert gelegen.
Dennoch hat der BRH prinzipiell recht: Der Bund – also das Verkehrsministerium – sollte endlich „klären, welche Konzernteile künftig mit Blick auf den Gewährleistungsauftrag des Bundes noch erforderlich sind“. Er sollte die DB AG zwingen, „nicht benötigte Unternehmen und Geschäftstätigkeiten zu veräußern bzw. einzustellen“. Dies ist auch notwendig, um „die Management- sowie Finanzressourcen zu fokussieren und die Probleme im deutschen Schienennetz und -verkehr konzentriert anzugehen“. Die „14.135 Busse und zehn Wasserbusse“ und die „623 Züge und Straßenbahnen“ in zwölf Ländern, wie die Arriva PLC stolz berichtet, sind laut BRH aus deutscher Sicht also verzichtbar – aber wer zahlt dafür tatsächlich die erhofften Milliarden? Und der BRH stellt die DB AG insgesamt in Frage: Die Bundesregierung sollte daher „die Eignung verschiedener Rechtsformen prüfen“ und den Zweck der „Konzernunternehmen im Regelwerk (Satzung/Gesellschaftsvertrag) klar festlegen und eingrenzen“.
Die ebenfalls bereits 2019 und jetzt erneut geforderte Trennung von Netz und Betrieb stößt allerdings auf Kritik. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) schlägt stattdessen vor, „alle Infrastrukturunternehmen mit DB Netz, DB Energie, DB Station & Service sowie den Werkstätten in einer gemeinnützigen Unternehmensform als GmbH oder AG zusammenzuführen“, da alle diese Gesellschaften eng miteinander vernetzte Infrastrukturleistungen erbringen, die insgesamt dauerhafte Zuschüsse des Staates erfordern. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur sollte auf einen Taktfahrplan ausgerichtet werden. Es sei sinnlos, Strecken mit hohem Aufwand auf Spitzengeschwindigkeiten von 300 Stundenkilometer auszubauen, wenn im Bahnhof dann wieder 30 Minuten auf den Anschlußzug gewartet werden muß, so die GDL.