Mit einem knapperen Ergebnis als erwartet hat die angeschlagene französische Regierung unter Premierministerin Élisabeth Borne (Renaissance) am Montag abend zwei Mißtrauensvoten überstanden. Diese kamen zustande, weil Präsident Emmanuel Macron (Renaissance) die umstrittene Rentenreform nach Artikel 49.3 der französischen Verfassung ohne Parlamentsabstimmung verabschieden ließ.
Die Regularien sehen vor, daß ein so beschlossenes Gesetz dann nur noch durch ein erfolgreiches Mißtrauensvotum in der Nationalversammlung verhindert werden kann.
Tatsächlich erreichte der Antrag der kleinen Zentrumspartei LIOT, für den neben dem Linksbündnis NUPES auch Le Pens Rassemblement National (RN) votierte, mit 278 Stimmen nur neun weniger, als notwendig. Entscheidend für das Ergebnis war, daß mehr als zwei Drittel der konservativen Republikaner im Parlament ihrem Vorsitzenden Éric Ciotti und dem Fraktionsvorsitzenden Olivier Marleix folgten, die sich gegen die Mißtrauensvoten aussprachen. Für den vom RN eingebrachten zweiten Antrag stimmten dann nur noch 94 Abgeordnete. Das sind nur sechs Stimmen mehr, als die Fraktion Abgeordnete hat.
Im ganzen Land kommt es zu Demonstrationen und Gewalt
Wenn es der Opposition nicht noch gelingt, über das Parlament ein Referendum zu erzwingen, ist die Anhebung des Regelrenteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre damit beschlossen. Die ebenfalls angekündigte Anrufung des Verfassungsrats dürfte mit Blick auf etwa 60 weitere Rückgriffe auf Artikel 49.3 seit Gründung der Fünften Republik 1958, eine Formsache bleiben.
Macron sieht in dem Projekt einen wesentlichen Faktor zur Stabilisierung der Staatsfinanzen und der Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Kritiker sehen dagegen eine Benachteiligung unterer Einkommensklassen und Minderprivilegierter beim künftigen Renteneintritt.
Indes setzen sich in ganz Frankreich die teilweise gewaltsamen Proteste der letzten Tage und Wochen fort. Bereits am Wochenende wurde in Nizza die Wahlkreisvertretung des Republikaner-Chefs Éric Ciotti angegriffen.
Anderswo brannten Mülleimer und in Dijon Puppen mit Gesichtern von Macron und seinen Ministern. Darüber hinaus wurden in mehreren Städten Schaufensterscheiben eingeschlagen. Streiks gegen Müllabfuhren und Raffinerien sorgen außerdem für einzelne Engpässe in der Treibstoffversorgung.