© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/23 / 24. März 2023

Sozis am Abgrund
Österreich: Die SPÖ in der Alpenrepublik ist tief gespalten. Dabei geht es nicht nur um Personalfragen
Robert Willacker

An der Spitze der österreichischen Sozialdemokratie steht ein Kräftemessen bevor. Bereits seit Jahren wird die derzeit stimmenstärkste Oppositionspartei von harten innerparteilichen Auseinandersetzungen geplagt, die sich regelmäßig öffentlichkeitswirksam an Wahlniederlagen, den Befindlichkeiten unterschiedlicher Parteigruppierungen sowie dem Umgang mit der Migrationsfrage entzünden. „Die SPÖ ist ein Opfer von Bobo-Quereinsteigern geworden, die der Aufgabe Modernisierung nicht gewachsen sind“, attestierte der ehemalige SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch seiner Partei bereits im Jahr 2019. 

Derzeit ringen die Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann des kleinsten und östlichsten Bundeslandes, des Burgenlands, um den Führungsanspruch in der Partei. Bei der Medizinerin Rendi-Wagner handelt es sich um eine politische Quereinsteigerin. Sie wechselte im Jahr 2017 aus einer Beamtenfunktion an die Spitze des Gesundheitsministeriums und trat erst im Zuge dessen in die SPÖ ein.

„Es ist hoch an der Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen“

Der ehemalige Verteidigungsminister Doskozil stand der heute 51jährigen und ihrer Blitzkarriere von Anfang an äußerst skeptisch gegenüber. Diese Skepsis verwandelte sich spätestens nach der bundesweiten Nationalratswahl 2019 in offene Opposition gegen sie. 

Mit 21,2 Prozent mußte die SPÖ-Spitzenkandidatin Rendi-Wagner damals das historisch schlechteste Ergebnis für die österreichische Sozialdemokratie verantworten. Nur wenige Monate zuvor war die Mitte-Rechts-Koalition aus ÖVP und FPÖ an der Ibiza-Affäre rund um Heinz-Christian Strache zerbrochen. Die SPÖ konnte davon jedoch nicht profitieren und verlor sogar Stimmen.

Man müsse „offen und ehrlich die Personalfrage stellen“, kommentierte Doskozil seinerzeit das ernüchternde Abschneiden seiner Genossen. Nur wenige Wochen später errang er selbst als Vertreter des rechten SPÖ-Flügels bei der Landtagswahl im Burgenland die absolute Mandatsmehrheit für die Sozialdemokraten. Was folgte, waren jahrelange, öffentlich ausgetragene Fernduelle zwischen den Spitzen der Bundespartei und der Landesgruppe Burgenland.

Die Auseinandersetzung fand nun in der Kampfansage Doskozils, Bundesparteivorsitzender werden zu wollen, ihren vorläufigen Höhepunkt. „Es ist hoch an der Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen und Klarheit zu schaffen“, ließ der 52jährige die Mitglieder des Bundesparteivorstands vergangene Woche in einem zuvor an die Medien weitergereichten Brief wissen.

Er wolle die Führungsfrage jedoch durch eine Mitgliederbefragung geklärt wissen, denn für „eine Wahl auf einem überhastet organisierten Sonderparteitag (…) stehe ich nicht zur Verfügung“. Politischen Beobachtern zufolge stehen Doskozils Chancen bei einer Mitgliederbefragung am besten. Ein Sonderparteitag, auf dem nur Funktionäre stimmberechtigt sind, könnte Rendi-Wagner favorisieren.

Die Reaktion der Bundesparteizentrale erfolgte betont gelassen: „Das war zu erwarten. Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch“, hieß es. Mit der Gelassenheit dürfte es jedoch schnell vorbei gewesen sein. Informationen der Boulevardzeitung Österreich zufolge machte Rendi-Wagner bei einer eilig einberufenen Präsidiumssitzung ihrem angestauten Ärger Luft.

Rendi-Wagner will sich im Fall einer Niederlage zurückziehen

Von „Mobbing seit 2018“, „miesen Methoden“ und Versuchen, sie „mürbe zu machen“ sei dort die Rede gewesen. In der Folge kündigte sie für den Fall einer Niederlage bereits öffentlich ihren Rückzug aus der Politik an.

Derweil hat man sich SPÖ-intern auf eine Vorgehensweise zur Klärung der Führungsfrage geeinigt: Es wird sowohl eine Mitgliederbefragung als auch einen Sonderparteitag geben. Wann, ist derzeit noch unklar. Doch kaum ist dieses Problem gelöst, braut sich auch schon der nächste Konflikt zusammen: Die burgenländische Landesgruppe mißtraut dem Leiter der Wahlkommission und fordert seine Abberufung.