Es sind gerade nicht die schönsten Zeiten für den FDP-Vorsitzenden und Finanzminister Christian Lindner. Das Profil seiner Partei ist in der Koalition kaum noch zu erkennen. Eine Wahl nach der anderen geht verloren. Zuletzt konnte Lindner nicht einmal seinen Haushaltsentwurf für 2024 wie geplant fertig- und vorstellen, weil er sich gegen die Minister der SPD und der Grünen mit ihren exorbitant hohen Ausgabenwünschen etwa für mehr Soziales und mehr Kampf gegen den Klimawandel nicht durchsetzen konnte.
Was liegt da näher, als außerhalb der Berliner Hinterzimmer-Beratungen mit ihren für den Chefliberalen so desaströsen Ergebnissen das Heil in der Öffentlichkeit zu suchen und an einem von Lindners Lieblingsplätzen, der Fernsehtalkshow von Sandra Maischberger, ein, wie er glaubte, ganz dickes Faß aufzumachen. In solchen Fällen lächelt Lindner besonders verschmitzt und sagt dann: „Der Kanzler wird sicherlich mißvergnügt sein.“ Denn Lindner will für einen ausgeglichenen Haushalt Geld sparen („das ist mein Job“) und beim Sparen ganz oben anfangen: Die Erweiterung des Bundeskanzleramts will er stoppen. Begründung: In Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten sei der Neubau entbehrlich.
Bei dem Neubau handelt es sich um einen sechsstöckigen Block mit 400 Büros, einem Hubschrauberlandeplatz und einer Kindertagesstätte für den Nachwuchs der Mitarbeiter des Kanzleramts. Außerdem ist eine weitere große Dienstwohnung vorgesehen. Die 200-Quadratmeter-Residenz mit Blick auf den Tiergarten soll dem Vernehmen nach für den Vizekanzler reserviert werden. Ob der grüne Vizekanzler Robert Habeck in diese Wohnung wird einziehen können, ist ungewiß, denn entweder kann Lindner den Bau tatsächlich stoppen oder Habeck ist zum Zeitpunkt der Fertigstellung nicht mehr Vizekanzler.
Die Argumente sprechen für Lindner. Denn der Neubau ist schon wieder teurer geworden. Die letzten Prognosen ließen die Kosten von 777 auf inzwischen 800 Millionen Euro hochschnellen. Und nicht nur das Homeoffice macht so viele Büros überflüssig. Die gesamte Regierung müßte beim Personal dringend abspecken. Mit über 30.000 Beschäftigten hat die Zahl der Mitarbeiter der Bundesregierung ein Rekordniveau erreicht.
Doch Lindners Schuß gegen Scholz ging schnell nach hinten los. Sozialdemokratische Strippenzieher und Büchsenspanner zauberten aus dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages blitzschnell eine Vorlage mit den Neubauplänen in Lindners Finanzministerium hervor. In der Wilhelmstraße will der Finanzminister einen Anbau mit 56.000 Quadratmetern Bürofläche für 650 Millionen Euro errichten lassen. Nach dem Motto: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Zwar stammen die Pläne dafür noch aus der Zeit von Vorgänger Olaf Scholz, doch Lindner mußte nun kleinlaut beidrehen: Das „wünschenswerte, aber nicht notwendige“ Vorhaben – 322 Millionen Euro geplante Kosten – stellte er gegenüber der Bild-Zeitung in Frage.