Daß Frankfurt sich der Revolution von 1848 widmet, überrascht nicht. Schließlich war die Mainmetropole ein zentraler Ort des damaligen Zeitgeschehens. Das Institut für Stadtgeschichte hat somit eine kleine Schau konzipiert, die Besuchern die historischen Zusammenhänge nahebringen soll.
Die Ausstellung verweist darauf, daß Geschichte mit fixen Bildern assoziiert wird. Denken viele Menschen bei der Französischen Revolution 1789 an den Sturm auf die Bastille oder bei der Julirevolution 1830 an Eugène Delacroix’ berühmtes Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“, so ist die Revolution von 1848 in Deutschland eng mit dem Bild der Frankfurter Paulskirche verbunden. Schließlich diente das 1833 im klassizistischen Stil fertiggestellte Gotteshaus als Tagungsstätte für das erste deutsche Parlament, die Nationalversammlung. 809 Abgeordnete stritten hier über die Verfassung für einen zu errichtenden deutschen Nationalstaat.
Für Frankfurt sprachen mehrere Faktoren. Zum einen unterstand es als freie Stadt keinem Landesherren, wurde stattdessen von einem liberal gesinnten Bürgertum dominiert. Zum anderen spielte die geographische Lage an einem Verkehrsknotenpunkt in der Mitte Deutschlands eine wichtige Rolle. Letztlich hatte diese zentrale Lage ja schon dazu geführt, daß Frankfurt im ersten Kaiserreich Krönungsstadt wurde. Durch die Wahl Frankfurts zum Sitz der Nationalversammlung wurde also auch an eine altdeutsche Tradition angeknüpft.
Schwarz-Rot-Gold geschmückte Straßen und Häuser
Da Frankfurt ein relativ freies, vom örtlichen Stadtpatriziat regiertes Gebilde war, konnten hier auch rebellische Strömungen unbehelligter von monarchischer Repression gedeihen. Das führte allerdings des öfteren zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. 1830 wurde das Zollhaus Mainkur im Streit um Mautgebühren von aufgebrachten Bürgern gestürmt, 1831 und 1832 folgten weitere Krawalle. 1833 mündete dieses Schwelen in den erfolglosen Sturm auf die beiden Polizeiwachen der Stadt. Geplant war der Raub der deutschen Bundeskasse und die Gefangennahme der fürstlichen Gesandten des Deutschen Bundes, dessen Diplomaten im unmittelbar neben der Zeil gelegenen Palais Thurn und Taxis zu tagen pflegten. Der Wachensturm scheiterte, der Deutsche Bund stationierte danach 3.000 Soldaten in der Stadt und erhob gegen 2.000 Aufrührer Anklage.
Doch das günstige Klima für eine nationaldemokratische Erhebung blieb in der Stadt bestehen. 1848 kam es zu einer öffentlichen Versammlung von 2.000 Menschen und der Massenunterzeichnung einer Petition für Presse- und Versammlungsfreiheit, denen der städtische Senat Zustimmung erteilte. Und als am 31. März 1848 die Abgeordneten aus den Ländern des Deutschen Bundes in Frankfurt eintrafen, fanden sie dort eine Feststimmung vor. Zahlreiche Frankfurter waren dem Aufruf des Festkomitees zur Schmückung der Häuser und Straßen nachgekommen. Fahnen und Tannenzweige säumten die Gassen. „Zum Einzug der Parlamentarier und des Reichsverwesers Erzherzog Johann von Österreich war die Stadt festlich in Schwarz-Rot-Gold gehüllt, und Tausende jubelten ihnen zu“, skizziert Markus Häfner, Kurator und verantwortlich für das Gesamtkonzept der Ausstellung, das damalige Geschehen.
Ermordete Abgeordnete, getötete Soldaten und Barrikadenkämpfer
Organisatorische Arbeit für die Realisierung des Vorparlaments hatten die Frankfurter Juristen Georg Christoph Binding, Großvater des späteren Schriftstellers Rudolf Georg Binding, und Friedrich Siegmund Jucho geleistet. Das um die beiden Persönlichkeiten gebildete Komitee verfaßte eine Tagesordnung und kümmerte sich um Übernachtungsmöglichkeiten der Parlamentarier.
Die nur einen Raum umfassende Frankfurter Schau besteht weitgehend aus bebilderten Texttafeln. Einige Bildschirmspielereien ergänzen diese Textlastigkeit nur. Zu den Ausstellungsstücken gehören eine beim Frankfurter Wachensturm getragene schwarzrotgoldene Armbinde, beschlagnahmte Burschenschaftsbänder. die Trommel einer Bürgergarde, Fußfesseln, Waffen. Einstmals verkaufte Schnittbögen präsentierten einzelne bekannte Parlamentarier als Hampelmänner. Heinrich von Gagern, Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, wurde beispielsweise aufgrund seiner rigorosen Sitzungsleitung mit Glocke und Rute in den Händen dargestellt. Ein vier Quadratmeter großer Stadtplan in der Mitte des Ausstellungsraumes visualisiert 33 ausgewählte Orte der Revolution. Zudem gibt es Einblick in die Presseorgane der unterschiedlichen politischen Lager und die Baugeschichte der Paulskirche.
Ausführlich behandelt wird die Auseinandersetzung der deutschen Nationalbewegung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein mit dem Königreich Dänemark. Der Dänemark entgegenkommende Waffenstillstand von Malmö, den die preußische Regierung goutierte, führte zu großer Empörung bei nationalen und linken Kreisen. In Frankfurt entzündete sich daran auch eine generelle Unzufriedenheit mit der schleppenden Arbeit des Parlaments. Es kam zu Protestversammlungen. Am 16. September 1848 ermordete ein linker Mob die konservativen Abgeordneten Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky auf brutale Weise. Schließlich kulminierte die aufgeladene Stimmung am 18. September, als es zu antipreußischen Unruhen vor der Paulskirche und Barrikadenkämpfen kam. Ein massives Militäraufgebot mußte die Ruhe und Ordnung wieder herstellen. Elf gefallene Soldaten und 40 getötete Barrikadenkämpfer waren die Bilanz des Aufstands. So wurde dieser Aufstand „zu einem Wendepunkt der Revolution. Er machte den Paulskirchenabgeordneten ihre eigene Machtlosigkeit bewußt“, zitiert das Institut für Stadtgeschichte den Mitkurator Thomas Bauer.
Es folgte eine große Inhaftierungswelle. Zum Schutz der demokratischen Versammlung war also fürstliches Militär vonnöten gewesen, was als Symbol für die reale Ohnmacht der Nationalversammlung und als Omen für deren Scheitern gelten kann. Weimar läßt grüßen.
Die Frankfurter Schau kommt zu dem Fazit, daß die Revolution zwar scheiterte, aber viele Errungenschaften trotzdem bestehen blieben. Preußen blieb Verfassungsstaat, eine breite Öffentlichkeit aus politischen Vereinen und Zeitungen blieb erhalten und trug das nationaldemokratische Bewußtsein fort. So konnte dieses Bewußtsein weiterleben bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Ausstellung „Auf die Barrikaden: Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt“ ist bis zum 18. September 2023 im Karmeliterkloster, Münzgasse 9, Frankfurt am Main, täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, zu sehen. Der Eintritt ist frei.Die Begleitpublikation mit 88 Seiten und mehr als 90 Abbildungen kostet 18 Euro.