Seit Ende des 18. Jahrhunderts hat sich innerhalb der westlichen Kunstphilosophie die Idee der „autonomen Kunst“ entwickelt, der zufolge Kunstwerke dann am stärksten wirken, wenn sie frei von äußeren, von staatlichen, kirchlichen oder wirtschaftlichen Einflüssen entstehen. Für den Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich hat sich diese „Autonomie-Idee“ seit dem späten 20. Jahrhundert „offensichtlich erschöpft“ (Philosophie Magazin. Sonderausgabe: Impulse für 2023). Zumindest befinde sie sich im europäisch-nordamerikanischen Raum auf dem Rückzug. Denn aufgrund der Globalisierung des Kunstmarkts wie auch des Großausstellungsbetriebs sind mittlerweile immer mehr Akteure in der Kunstwelt unterwegs, die aus ganz anderen Traditionen als der des westlich-autonomen Kunstbegriffs kommen. Für sie ist es wie zu vorautonomer Zeit naheliegender, Kunst als fremdbestimmtes Medium zu denken. Darum mehren sich etwa Kooperationen zwischen Künstlern und NGOs wie der „Black Lives Matter“-Bewegung, die eine politische Agenda verfolgen. Hier zeichne sich, wovon auch der jüngste Kasseler Documenta-Skandal um antisemitische Agitprop-Bilder einer nicht vom westlich-modernen Autonomieverständnis geprägten indonesischen Künstlergruppe zeuge, ein wohl unaufhaltsamer Trend zu „postautonomer Kunst“ ab. Es sei daher absehbar, daß sich Künstler externen Einflüssen gegenüber immer seltener auf Kunstfreiheit berufen und politisch korrekte „Standards der Zivilisiertheit“ akzeptieren. Zu denen heute schon die klimaneutrale Nachhaltigkeit ihrer Arbeit zähle, abzulesen an der Ökobilanz einer Ausstellung.