© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Milliardenschwere Bankenpleiten nach den Zinserhöhungen in den USA
Untote Sorgenkinder
Thomas Kirchner

Als die Silicon Valley Bank (SVB) noch zu den 20 größten US-Banken zählte, waren Geld und Muße da, sich um Diversity, LGBTQIA+ oder Pride-Kampagnen zu kümmen. Das Risikomanagement war hingegen 2022 monatelang führungslos. Das scheint sich zu rächen, denn das kalifornische Santa Clara – auch Heimat der Konzerne AMD, Intel und Nvidia – ist nur dann ein „Safe Space“, wenn die Finanzen stimmen: Am 10. März übernahm die US-Einlagensicherung (FDIC) die 1983 gegründete Tech-Bank. Der deutsche SVB-Ableger wurde unter die Kontrolle der Finanzaufsicht Bafin gestellt. Die SVB gehört zum Trio von US-Banken, deren Name mit „S“ wie „Sorgenkind“ beginnt: Die Silvergate Bank in San Diego versank im Sumpf der Kryptowährungen. Auch die New Yorker Signature Bank hatte auf Blockchain-Fans gesetzt und mußte nach Einlagenverlust geschlossen werden.

Joe Biden versprach am Montag, daß das US-Bankensystem sicher sei – dennoch brachen die Aktien mehrerer Regionalbanken ein. Denn Kunden ziehen gerade bei allen Banken Einlagen ab, weil Geldmarktfonds höhere Zinsen zahlen. Daher schrumpft die Bilanzsumme: Die Bank muß sich dann anderswo Geld leihen, Kredite reduzieren oder Anleihen verkaufen. Kredite zu kündigen geht nicht über Nacht, weshalb Banken Staatsanleihen zur Liquiditätssteuerung halten. Wegen der Zinserhöhungen haben Anleihen stark an Wert verloren, was aber nicht vollständig in der Bilanz ausgewiesen wird. Diese Regel wurde nach der Finanzkrise 2008 zu Zeiten sinkender Zinsen eingeführt. Das stabilisierte das Finanzsystem, weil Papiergewinne nicht das Eigenkapital erhöhten. Heute werden Wertverluste nicht ausgewiesen, weshalb Anleger jetzt Angst um ihre Einlagen haben und diese abziehen. Die SVB wäre bei traditioneller Bewertung der US-Staatsanleihen längst insolvent gewesen. Nicht wegen schlechter Kreditvergabe, sondern wegen der Fed-Zins­erhöhungen. Als der Abzug der Kundengelder den Verkauf der im Wert gesunkenen Anleihen erzwang, klaffte ein Loch von 1,8 Milliarden Dollar in der Bilanz.

Eine Bankenpanik setzte noch vor einer eilig geplanten Kapitalerhöhung über 2,25 Milliarden Dollar ein. Die SVB-Aktionäre stehen nun nackt da. Die SVB-Kontoinhaber verlieren auch einiges, denn ihre Einlagen sind nur bis 250.000 Dollar abgesichert. Wer sein Geld als letzter bei einer Wackelbank abzieht, hat Pech. Bei SVB waren zum Ende 2022 nur 22 der 173 Milliarden Dollar an Einlagen versichert. Vorwiegend Technologiefirmen waren Kunden, die keine Rechnungen und Gehälter zahlen können, bis sie wieder an ihr Geld kommen. Die FDIC ist routiniert und löst solche Probleme rasch. Die unversicherten Konten sollen innerhalb einer Woche eine erste Hälfte der Gelder bekommen. Bis zum Ende des Insolvenzverfahrens dürften über 90 Prozent der unversicherten Summen ausbezahlt werden.

620 Milliarden Dollar an Anleihe-Wertverlusten stecken in Bilanzen von US-Banken – mehr als ein Viertel des Eigenkapitals von 2,2 Billionen. Die SVB-Pleite verdeutlicht das gestiegene Risiko einer neuen Bankenkrise wegen der Zinserhöhungen. Die Bankenregulierung paßte für die vergangene Krise, aber nicht die nächste. Die US-Behörden erwägen ein Rettungsprogramm für Kontoinhaber, um einen „Bank Run“ zu verhindern. Nicht skrupellose Kreditvergabe oder „woke“ Manager sind die Ursache der Misere, sondern die schnellen Zinserhöhungen nach einer zu langen Periode von Niedrigzinsen.