© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Der Frust steigt
Weltgefahr China, Teil 2: Spionage und Zensur – die Philippinen kämpfen um ihre Zukunft
Hinrich Rohbohm

Wenn Jeson und Michael auf die Politik ihres Landes zu sprechen kommen, dann klingt Zuversicht aus ihren Worten. „Das war nicht immer so“ , sagt Michael. Seit vier Jahren verrichtet der Soldat seinen Dienst in der Davao Task Force, einer südphilippinischen Einheit, die unter anderem am Kampf gegen die islamistische Terrororganisation Abu Sayaf beteiligt ist.

„In den ergangenen Jahren war der Frust in der Truppe groß“, erzählt Jeson. Der Grund: Die Wahl des im vergangenen Jahr aus dem Amt geschiedenen philippinischen Staatspräsidenten Rodrigo Duterte. Jeson spricht leise. Denn besonders hier, auf der südphilippinischen Insel Mindanao und deren Metropole Davao, der drittgrößten Stadt des Landes, galt Duterte als ausgesprochen populär. Hier begann er seine politische Karriere als Bürgermeister, begann sich seinen Ruf als brutaler Kämpfer gegen die Kriminalität aufzubauen.

Chinas Taiwan-Politik führt Manila zum Umdenken

„Innerhalb der Armee und seiner Nachrichtendienste habe es immer wieder Warnungen gegeben, Duterte sei ein Mann Chinas, dessen politischer Aufstieg von Peking gefördert werde. Vergeblich. „Seine Popularität war einfach zu groß“, erinnert sich Michael (25), der gemeinsam mit Jeson zur Davao Spezialeinheit gehört.

Unter Duterte hatten die Philippinen einen Annäherungskurs an China betrieben, das Verhältnis zum langjährigen Verbündeten USA kühlte zunehmend ab. „Als China sich philippinisches Territorium auf den Spratly-Inseln rechtswidrig aneignete, ließ die Duterte-Regierung Peking nahezu ohne Widerstand gewähren“, empört sich Michael heute. Innerhalb der Armee habe das für große Verärgerung gesorgt. Und nicht nur das. „Duterte hatte eine weitgehende Amnestie gegen führende Mitglieder der maoistischen Neuen Volksarmee erlassen.“ Die pekingtreue Widerstandsgruppe agiert seit Jahrzehnten als Guerillatruppe gegen die stets US-nahen Regierungen Manilas.

Längst hat sich ein lang anhaltender lautloser Krieg zwischen China und den USA um die Vorherrschaft in der Region rund um das Südchinesische Meer entwickelt, der zunehmend intensiver wird. Lautlos deshalb, weil es bisher noch vor allem Mittel der zivilen Kriegsführung sind, die zum Einsatz kommen.

Eines dieser Mittel Pekings heißt TikTok. Das chinesische Videoportal hatte in den vergangenen Jahren einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Besonders auf den Philippinen. Die vom pekingtreuen Unternehmen Bytedance Technology Limited betriebene Plattform durchdringt inzwischen das Leben eines Großteils der philippinischen Gesellschaft. Immer wieder wird TikTok im Zusammenhang mit Spionage und Zensur im Sinne Chinas in Verbindung gebracht. „Für die junge Generation ist TikTok zur Hauptinformationsquelle geworden“, warnt Joven, ein Social Media-Experte an der Manila University im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT.

 Während in Deutschland für die Politik immer stärker die ältere Generation zur wahlentscheidenden Klientel geworden ist, verhalte es sich auf den Philippinen genau umgekehrt. „70 Prozent der Bevölkerung sind bei uns unter 30. Das Durchschnittsalter liegt in unserem Land bei knapp 25 Jahren“, verdeutlicht der 32jährige den wahlentscheidenden Faktor der „Generation TikTok.“

„TikTok hatte für Marcos die Wahl entschieden“, ist Joven überzeugt. Ferdinand Marcos Junior galt eigentlich als Wunschkandidat Chinas. Während seine Kontrahentin Leni Robredo für einen deutlich kritischeren Kurs gegenüber dem Reich der Mitte stand, gingen politische Insider in Manila bisher davon aus, das Marcos Junior deutlich freundlichere Töne gegenüber Peking anschlagen würde. „Seine Wahl war daher eigentlich ganz im Sinne Chinas“, erklärt Joven.

Doch das zunehmend aggressivere Auftreten Chinas rund um Taiwan habe innerhalb der Regierung zu einem Umdenken geführt. „Marcos stammt aus dem Norden der Philippinen, seine Heimatprovinz Ilocos Norte liegt gerade einmal 30 Flugminuten von der südtaiwanischen Küste entfernt. Die zunehmenden Manöver Chinas und der USA haben bei ihm zu großer Besorgnis darüber geführt, in den Konflikt hineingezogen zu werden“, erzählt ein Regierungsinsider gegenüber der JF.

Mehr noch: Die aggressiven Töne aus Peking hätten zu einem Umdenken bei „Bongbong“, wie Marcos Junior von den Filipinos genannt wird und innerhalb seiner Regierung geführt. „Man will die Verteidigungsbündnisse mit Japan und den USA künftig wieder stärken. Vor allem dem Landraub im Südchinesischen Meer will die neue Marcos-Administration künftig entschiedener entgegentreten“, so der Insider.

So habe die Regierung inzwischen ein Truppenabkommen mit Japan getroffen, das es dem Kaiserreich künftig gestatten soll, im Falle von Katastropheneinsätzen und militärischen Übungen Soldaten auf den Philippinen zum Einsatz zu bringen und zu stationieren. Auch dem US-Militär gewährte Marcos inzwischen Zugang zu vier weiteren philippinischen Stützpunkten. Eine deutliche Abkehr von der bisherigen Politik Dutertes, die China nicht gefallen dürfte. Die aber innerhalb der philippinischen Armee für Zuversicht gesorgt habe, sagen die Soldaten Jeson und Michael. „Lange Zeit sahen wir uns von der Regierung mit unseren Warnungen vor China allein gelassen. Jetzt aber ist die Hoffnung zurück“, sagen sie.

Oppositionelle Kuomintang will außenpolitischen Kurs ändern 

Unterdessen hofft China auf einen Wahlerfolg der oppositionellen Kuomintang (KMT) bei den kommenden Wahlen 2024 in Taiwan. Die Partei steht tendenziell eher einer Annäherung mit Festland-China gegenüber. „Wir spüren schon jetzt die zunehmenden Aktivitäten Pekings, die KMT in ihre Richtung zu beeinflussen “, sagt der jungen freiheit ein Mitglied der Partei. Diese bestehe aus mehreren Flügeln. Er selbst stehe für die Unabhängigkeit Taiwans. „Aber etwa ein Viertel der Anhänger der KMT will die Wiedervereinigung mit dem Festland. Wer in der KMT eine Spitzenposition einnehmen will, wird diese Gruppe einbinden müssen.“ Zudem agiere die prokommunistische Chinese Unification Promotion Party als eine Art fünfte Kolonne Pekings.

Die Partei war 2004 von dem ehemaligen Chef der Bamboo-Triade, Chang An-la, in Guanzhou auf dem chinesischen Festland ins Leben gerufen worden. Ein Jahr später sorgte Chang maßgeblich dafür, daß die Partei in Taiwan eine Zulassung erhielt. Eigenen Angaben zufolge soll die Partei bereits über 30.000 Mitglieder verfügen. Der Kampf um die Regierung in Taipeh 2024 ist ein weiteres Gefecht im lautlosen Krieg um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer. Sollte Peking ihn verlieren, dürfte es lauter werden.

Lesen Sie in Teil 3 dieser Reportage, wie sich Vietnam zunehmend zur Standortalternative für westliche Unternehmen entwickelt.