© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Urteil der Woche
Wann ist Mann Frau?
Vincent Steinkohl

Was ist eigentlich eine Frau? Wer diese Frage mit profanen Verweisen auf Chromosomen, Knochenstruktur oder Geschlechtsmerkmale beantworten will, ist ein Ewiggestriger und hat die gesellschaftlichen Entwicklungen verschlafen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) schafft Abhilfe und lieferte jüngst eine messerscharfe Definition für das schöne Geschlecht. „Eine Frau ist eine Person, die sich selbst als Frau definiert.“ So weit, so fortschrittlich. Zum Problem wird das, wenn begehrte Parteiposten qua Parität gleichmäßig an Männer und eben jene nebulösen Wesen vergeben werden, die in grauer Vorzeit als „Frau“ bezeichnet wurden. Im Jahr 2021 schrieb ein bis dahin männliches Grünen-Mitglied kurz vor einem Stadtparteitag eine E-Mail, in der er mitteilte, ab jetzt eine Frau zu sein und auf dem Frauen-Platz zu kandidieren. Das wollten die Verantwortlichen nicht zulassen und lehnten seine beziehungsweise ihre Bewerbung ab. Als der geschaßte Kandidat davon erfuhr, ging er dagegen vor und beantragte Wahlwiederholung sowie seine Zulassung für den weiblichen Kandidatenplatz. Das Landesschiedsgericht der Grünen gab ihm/ihr zunächst recht. Doch das Bundesschiedsgericht entschied jüngst, daß er  (sie) keinen Anspruch auf einen Frauenplatz habe, da er „keine ‘Frau’ im Sinne der Parteistatuten“ sei. Dabei sei Mutter Natur nicht der entscheidende Faktor, wohl aber der mangelnde Enthusiasmus des selbsterklärten Ex-Mannes. Die Person habe weder ihren Vornamen geändert noch ihren Geschlechtseintrag behördlich modifiziert und auch optisch nichts angepaßt, so die ziemlich formalistische Abfuhr. Vielleicht muß er/sie auch nur warten, bis – dank Parteifreundin Paus – das neue Selbstbestimmungsgesetz eingeführt ist. Da reicht nämlich für einen jährlich möglichen Geschlechtswandel die bloße Willensbekundung im Standesamt.