Für die einen ist er das Armageddon der Artenvielfalt, für die anderen so etwas wie die Jogginghose des Grundstücks – häßlich, aber bequem: der Schottergarten. Kein Mähen, kein Harken, kein Jäten ... Nun läßt sich über Geschmack bekanntlich streiten, doch zumindest in Niedersachsen soll die Frage „Gras oder Geröll?“ keine Privatangelegenheit mehr sein. Einige Kommunen im Land haben angekündigt, künftig konsequenter gegen die Kieselwüsten vorzugehen – zur Not sogar mit Hilfe aus der Luft.
Schließlich hat sich herumgesprochen, daß die Versiegelung der Böden zu einem Verlust von Biodiversität führt. Denn findet das Bienchen kein Blümchen – wobei das im Zeitalter der Ehe für alle natürlich auch für Bienchen mit Bienchen und Blümchen mit Blümchen gilt –, dann war’s das mit Liebe, Leben, Leidenschaft. Zumal die dafür zuständigen Kommunalbeamten auch die Niedersächsische Bauordnung auf ihrer Seite haben. Dort heißt es in Paragraph 9, Absatz 2, „daß nicht überbaute Flächen von Baugrundstücken Grünflächen sein müssen, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.“ Eigentlich alles klar. Doch ein findiger Bürger in Diepholz hatte seine 50-Quadratmeter-Beete mit Kies bedeckt, ein paar Zierpflanzen darauf gestellt und behauptet, dies seien damit Grünflächen.
In seinem Rechtsstreit mit der Gemeinde ließ sich das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg das Grau jedoch nicht für ein Grün vormachen: Man könne nicht einfach Kiesflächen zu Grünflächen erklären, wenn ein paar wenige Zierpflanzen darauf stehen. Wesentliches Merkmal einer Grünfläche sei, daß sie grün ist, urteilten die Richter messerscharf und letztinstanzlich. Steine dürften sein, aber nur in einer untergeordneten Rolle.
Niedersachsens zweitgrößte Stadt Braunschweig spürt durch den OVG-Beschluß Rückenwind dank Rechtssicherheit. Nun werde man, teilte die Verwaltung den Medien mit, den Rückbau von Schottergärten, falls nötig, stärker durchsetzen. Bei systematischen Kontrollen würden sogar Luftbilder ausgewertet werden. In insgesamt 103 Fällen habe man bereits wegen des Verstoßes gegen das Schottergarten-Verbot ermittelt, einige Eigentümer hätten schon nachbegrünt. In der Landeshauptstadt Hannover gehen eigens zwei Mitarbeiter auf die Suche nach privaten totgesagten Parks und schauen: 70 Schottergarten-Fälle haben sie nach Angaben der Stadt so dokumentiert. Für die Hansestadt Lüneburg besteht indes kein Anlaß, in Sachen Schottergärten etwas zu ändern. Wie bisher werde man statt auf Drohungen lieber auf freundliche Ansprache und Beratung setzen.
Unterdessen gibt es auch kritische Stimmen zum Feldzug gegen die Kiesel und Co. Das OVG-Urteil sei „unverhältnismäßig und ein starker Eingriff in die Eigentumsrechte“, monierte der Immobilienbesitzerverband Haus und Grund. Der Richterspruch bedeute nach Auffassung des niedersächsischen Vorsitzenden Hans Reinold Horst auch kein allgemeingültiges Verbot für Schottergärten. „Grundstückseigentümer werden sich zukünftig dennoch vermehrt streitigen Auseinandersetzungen stellen müssen“, prognostizierte Horst im NDR.