© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Und still ruht die See
Nordstream: Neue Medienberichte über die Urheber der Pipeline-Sprengung sorgen für Diskussionsstoff / AfD fordert Untersuchungsausschuß
Christian Schreiber

Die teilweise Zerstörung der Gaspipeline Nordstream im September 2022 erledigte die deutsch-russische Gaskooperation vorerst endgültig, nachdem Moskau schon vorher die vertraglich vereinbarten Mengen nicht mehr durchgeleitet hatte. Seitdem wird munter über mögliche Urheber des Anschlags spekuliert (JF 8/23). Klar ist derzeit nur, daß nichts klar ist. Die Ermittlungen liegen beim Generalbundesanwalt, der sich schweigsam gibt. Inwieweit der Bundesregierung nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen, bleibt ebenfalls geheim. 

Vergangene Woche veröffentlichten das ARD-Hauptstadtstudio, das Politikmagazin „Kontraste“ und die Zeit ihre Recherchen, wonach eine Gruppe von sechs Tauchern von einem Schiff namens „Andromeda“ aus die Sprengungen vorgenommen hätte. Die Recherche-Gemeinschaft beruft sich dabei auf namentlich nicht näher genannte „Ermittlerkreise“. Zwei der Taucher hätten ukrainische Pässe gehabt, eine Verbindung zu staatlichen Stellen lasse sich aber nicht herstellen. Die Medien berichteten weiter, das Kommando sei mit dem gecharterten Boot den Ermittlungen zufolge von Rostock aus in See gestochen. 

„Hüte mich, voreilige Schlüsse zu ziehen“

Während die Behörden keine genauen Angaben zum Stand der Ermittlungen machten, gab es erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit der Recherchen. Experten bezweifelten, daß eine größere Menge an Sprengstoff, die Rede ist von 500 Kilogramm, auf einer Yacht transportiert werden kann. Zudem sei es unwahrscheinlich, daß die nötigen technischen Voraussetzungen für eine solch komplexe Sprengung auf einem eher kleinen Boot geschaffen werden können. Die Nachrichtenagentur DPA zitierte einen Tauchexperten, der einen derartigen Anschlag auch von einer Segelyacht aus für machbar hielt, sofern es sich um Profis handele.

Angesichts der undurchsichtigen Gemengelage reagierten Vertreter der deutschen Politik äußerst verhalten. Er nehme die Rechercheergebnisse mit großem Interesse zur Kenntnis, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Deutschlandfunk. „Aber wir müssen jetzt mal abwarten, was sich davon wirklich bestätigt. Jetzt hypothetisch zu kommentieren, was wäre wenn, halte ich jetzt für nicht zielführend. Das muß geklärt werden.“ Der SPD-Politiker wollte auch nicht ausschließen, daß es sich um eine sogenannte „False Flag“-Aktion gehandelt haben könnte. Es hätten Spuren bewußt so gelegt werden können, um der Ukraine eine Täterschaft zu unterstellen. „Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte solcher Ereignisse. Von daher hüte ich mich davor, voreilige Schlüsse zu ziehen“, sagte Pistorius.

Der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste, Roderich Kiesewetter, wies zudem auf den geringen Kenntnisstand hin. „So wie es aussieht, sind es staatliche oder quasi-staatliche Akteure“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Aber: „In diesem Informationskrieg werden auch bewußt falsche Spuren gelegt, deshalb sollten wir da ganz vorsichtig sein.“ Er schließe niemanden aus, „übrigens auch nicht Rußland“.

Ganz anders der frühere SPD-Chef und Ex- Linkenpolitiker Oskar Lafontaine. Der ehemalige Saar-Ministerpräsident sieht die Amerikaner klar als Urheber. Die Yacht-Besatzung verspottete Lafontaine als „ukrainische Bademeister“ und bezeichnete die Darstellung als „lächerliche Geschichte“. Das „westliche Lügenkartell der Politiker und Journalisten“ werde aber alles tun, „um zu verschleiern, daß die westliche Führungsmacht die Gasleitungen gesprengt hat.“

Im Bundestag forderte die AfD unterdessen einen Untersuchungsausschuß. Die Bundesregierung müsse die „Angriffe auf die deutsche Energiesouveränität endlich aufklären und Konsequenzen ankündigen“, sagte der Abgeordnete und EU-politische Sprecher, Harald Weyel, zur Begründung.