© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Klüger ist das
Preußen: Der Chef des Hauses Hohenzollern verzichtet auf weitere rechtliche Schritte gegen seine Enteignung
Peter Möller

Die Überraschung ist dem Prinzen gelungen. Nach jahrelangem Rechtsstreit um die Rückgabe von Kunstwerken und die Zahlung von Entschädigungen für enteigneten Besitz an das vormals regierende preußische Königshaus hat der Chef des Hauses Hohenzollern, Prinz Georg Friedrich von Preußen, den Weg geebnet, um die Auseinandersetzung außerhalb der Gerichtssäle zu beenden. „Ich bin an den Punkt gekommen, daß es nicht richtig sein kann, diese Frage vor Gericht auszutragen. Vermutlich würde das Verfahren mindestens zehn Jahre dauern. Deshalb verzichte ich als Chef des Hauses Hohenzollern auf die Kunstwerke und Ausgleichszahlungen aus diesem Komplex“, sagte er in der vergangenen Woche der Welt. Mit der Entscheidung, das Verfahren unabhängig von den Erfolgschancen zu beenden, wolle er den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte.

„Damit ist der Gordische Knoten durchschlagen worden“

Seit 2014 liefen die zunächst geheimen Verhandlungen des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg mit den Hohenzollern über eine Einigung in der Entschädigungsfrage. 2021 brachen die beiden Bundesländer die Gespräche schließlich ab und setzten auf eine gerichtliche Klärung. Zuletzt hatte sich die Auseinandersetzung auch in der Öffentlichkeit immer mehr auf die Rolle des früheren Kronprinzen Wilhelm im Vorfeld der Machtergreifung der Nationalsozialisten fokussiert. 

Denn nach dem maßgeblichen Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz aus dem Jahr 1994, das die Rückgabe von in der sowjetischen Besatzungszone enteignetem Eigentum regelt, ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn die enteigneten Personen dem nationalsozialistischen System „erheblichen Vorschub“ geleistet haben. Eine etwas schwammige Formulierung, die im Fall des Kronprinzen in den vergangenen Jahren zahlreiche Historiker und Feuilleton-Redakteure beschäftigt und zu teilweise kontroversen Auseinandersetzungen geführt hat. 

Eine Entwicklung, die Prinz Georg Friedrich grundsätzlich positiv sieht. „Es ist absolut richtig, sich mit Kronprinz Wilhelm kritisch auseinanderzusetzen, wir haben inzwischen viele Erkenntnisse zu seiner Person“, meinte er. Doch aus seiner Sicht sei seinem Urgroßvater nicht eindeutig nachweisbar, daß er den Nationalsozialisten Vorteile verschafft habe, „selbst wenn er es selbst gewollt haben sollte“. Doch Kronprinz Wilhelm habe eindeutig die Nähe zum Regime gesucht. „Und wenn sich jemand dem Rechtsextremismus anbiedert, dann kann derjenige nicht für unser Haus traditionsstiftend sein“, bekräftigte der Urenkel bei einem öffentlichen Auftritt vergangene Woche in Berlin. 

Bei den beiden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam, die nun beendet werden sollen, geht es im wesentlichen um die Forderung der Hohenzollern nach einer Millionenentschädigung für Immobilien aus dem Besitz des Kaiserhauses, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets auf dem Gebiet der späteren DDR enteignet wurden. Außerdem fordert der Prinz von Preußen die Rückgabe von anderen Objekten aus enteigneten Schlössern und Villen und beansprucht Werte aus ebenfalls enteignetem ehemaligen Finanzvermögen der Hohenzollern. Darüber hinaus gibt es weitere Forderungen des vormaligen Königshauses, etwa bezüglich von Leihgaben von Kunstwerken in staatlichen Museen, die von dem jetzigen Vorstoß des Prinzen nicht betroffen sind. Nach wie vor steht damit die Drohung im Raum, diese Kunstgegenstände aus den Museen abzuziehen.

Von der Politik wurde die überraschende Kehrtwende des Hohenzollern-Chefs, der die Wiederaufnahme von Vergleichsverhandlungen zwischen der Familie und dem Bund sowie den Ländern wieder wahrscheinlicher macht, positiv aufgenommen. „Mit dieser Entscheidung ist nun gewissermaßen der Gordische Knoten im Hohenzollern-Komplex durchschlagen worden“, sagte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD). „Es wird damit eine höchst verwickelte und im einzelnen für Außenstehende kaum mehr nachvollziehbare Debatte um Entschädigungsansprüche verschiedener Art beendet, die es ohne das historische Glück der Deutschen Einheit gar nicht gegeben hätte und auf der auch immer weniger Segen lag für das Ansehen des Hauses Hohenzollern und seinen Platz in der Geschichte.“ Weitere Streitfragen, etwa zu Leihgaben des Hauses Hohenzollern, seien nun „sicherlich leichter zu klären“, zeigte sich Lange überzeugt.

Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Potsdamer Landtag, Isabelle Vandre, bezeichnete es als „Wermutstropfen“, daß die Frage der Vorschubleistung der Hohenzollern für das nationalsozialistische Regime nun nicht gerichtlich geklärt werde. „Dem Haus Hohenzollern darf es auf Grund der Verzichtserklärung weder gelingen, sich reinzuwaschen, noch als großer Gönner zu inszenieren“, sagte Vandre.

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bewertete die Ankündigung des Prinzen positiv. Es sei ein wichtiger Schritt, wenn die Preußen bereit seien, „die historischen Fragen von den Fragen des zukünftigen Umganges mit dem kulturellen Erbe des Hauses Hohenzollern zu trennen“, sagte sie dem Spiegel. Ihrer Ansicht nach wäre damit „eine notwendige Voraussetzung erfüllt, um in gemeinsamen Gesprächen zwischen Bund, Land Brandenburg und Land Berlin mit Prinz von Preußen einen gemeinsamen Weg zum Umgang mit dem kulturellen Erbe des Hauses Hohenzollern zu erarbeiten“. Roth kündigte an, in diesem Sinne auf ihre Kolleginnen in Berlin und Brandenburg zugehen zu wollen: „Ich bin zuversichtlich, daß wir im Interesse des Erhaltes von Kunst- und Sammlungsgegenständen in den öffentlichen Einrichtungen hier einen gemeinsamen Weg finden.“ 

Noch nicht ganz vom Tisch ist in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Hohenzollern-Museums in Berlin. Eine solche Einrichtung existierte bereits zwischen den beiden Weltkriegen im kleinen Schlößchen Monbijou, um dann im Zweiten Weltkrieg zusammen mit dem Schloß unterzugehen.