Grün, kosmopolitisch, feministisch, einwanderungsfreundlich, multikulturell und eine entschlossene Verfechterin der LGBTQ-Sache – aber auch von Arbeitnehmerrechten, eines Mindestlohns und verkürzten Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich. Dies sind die zwei schlagenden Herzen in Elly Schleins Brust. Die junge, frisch gekürte Vorsitzende soll die historisch wichtigste Partei der italienischen Linken in die Offensive führen: Als Nachfolgerin der ehemaligen Kommunisten durchlebt die Demokratische Partei (PD) seit vielen Jahren eine scheinbar unumkehrbare Identitätskrise – was der Rechten den Weg an die Macht geebnet hat. Nun soll es die neue Parteisekretärin richten.
Die 37jährige Elena Ethel Schlein hat eine für die italienische Politik untypische Biographie. Geboren in Lugano in der italienischen Schweiz, besitzt sie neben ihrem italienischen einen Schweizer sowie einen US-Paß. Denn ihr Vater, ein pensionierter Politologieprofessor, stammt aus einer jüdischen Familie, die aus dem ukrainischen Lemberg in die USA geflohen ist. Der Vater ihrer Mutter, eine italienische Juraprofessorin, war Agostino Viviani, ein Rechtsanwalt, der sich dem Faschismus verweigerte und dem Nationalen Befreiungskomitee anschloß, jener politischen und militärischen Dachorganisation der Parteien und Bewegungen, die Mussolini bekämpften. Später saß er für die Sozialistische Partei in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat.
Gegner werfen ihr vor, eine elitäre, von den linken Stammwählern weit entfernte Welt zu repräsentieren.
Nach dem Abitur, das sie mit Bravour bestand, entschied sich Elly wie ihre Mutter für Jura und zog nach Bologna, der Hauptstadt der italienischen Linken. Ihre politische Karriere begann jedoch erst in den USA, wo sie 2008 und 2012 in Chicago als Freiwillige am Wahlkampf Barack Obamas teilnahm. Zurück in Italien engagierte sie sich in einer Reihe linker Gruppen und zog 2014 für die PD in die Europawahl. Doch nur ein Jahr später verließ die frischgebackene Abgeordnete ihre Partei, der sie vorwarf, unter Einfluß des damaligen Vorsitzenden und italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi einen „Mitte-Rechts“-Kurs zu verfolgen.
Bei der Europawahl 2019 kandidierte sie nicht mehr, dafür aber bei der Regionalwahl 2020 in der Emilia-Romagna – und das in einem heiklen Moment, denn in der traditionell linken Region hatte damals Matteo Salvinis rechte Lega gute Chancen. Es war jedoch Schlein, die, wenn auch nur mit geringem Vorsprung, den Ausschlag dafür gab, daß die Emilia-Romagna „rot“ blieb. Als Gegenleistung gab ihr die PD das Amt der Vizepräsidentin des Regionalrats, das sie aber aufgab, als sie 2022 in die Abgeordnetenkammer, das italienische Parlament einzog.
Ihre Gegner werfen Schlein vor, eine elitäre, reiche und von der traditionellen Wählerschaft der Linken weit entfernte Welt zu repräsentieren. Tatsächlich wird sie von vielen liberalen, progressiven und proeuropäischen Organisationen sowie einem großen Teil der Presse nach Kräften unterstützt. Denn diese sehen in ihr das Gesicht einer modernen, urbanen Linken, zumal die bisexuelle Schlein mit einer Frau zusammenlebt. Gezielt wird sie als weibliche Matadorin aufgebaut, die Giorgia Meloni das Wasser abgraben und die Rechte von der Macht entfernen soll.