© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/23 / 10. März 2023

Der Flaneur
Nun sind sie halt da
Elke Lau

Der letzte Morgen in einer der Luxusherbergen im Berliner Umland ist angebrochen. Auf dem Weg zum Frühstück treffen wir auf unsere Tischnachbarn, mit denen wir gestern abend politische Themen durchhechelten, bis uns vor Lachen die Tränen kamen. Da sie einen Saunabesuch planten, mußten sie leider das Restaurant früh verlassen.

„Na, kräftig geschwitzt?“ fragt Begleiter Uli augenzwinkernd. „Ja, vor Wut. Es war der reinste Horror. Ein dickleibiger Hotelgast mit Frau und zwei Kindern hatte alle Liegen okkupiert und den Ruheraum für den Nachwuchs zum Abenteuerspielplatz umfunktioniert. Die Unholde bewarfen sich mit Kleidungsstücken, rissen Saunatüren auf und erschreckten die Gäste mit lautstarken ’Kuffar‘-Rufen, was immer das heißen sollte.“

„Konnte niemand dagegen einschreiten?“ fragt Uli entgeistert. „Nein, jeder Protest wurde mit schadenfrohem Gelächter beantwortet.“ „Ärgern Sie sich nicht länger. Freuen Sie sich jetzt lieber auf Ihr behagliches Frühstück.“

Ehe wir reagieren können, taucht der Restaurantleiter auf und bietet uns schnell einen anderen Tisch an.

„Dem hätte ich ein Licht ans Fahrrad gemacht“, grummelt Uli, als wir auf den für uns reservierten Tisch mit Namensschild zusteuern. Aber dort fläzt bereits bräsig ein übergewichtiger Mann mit Schnauzbart, schlabbrigen, hellgrauen Trainingshosen und Badelatschen und scrollt über das Display seines Handys, während seine kopftuchgeschmückte Frau ungerührt zusieht, wie ihre etwa sechs und acht Jahre alten Kinder mit Hilfe gelber und roter Marmelade Figuren auf das weiße Tischtuch zaubern.

Uli bleibt vor dem Tisch stehen und deutet auf unser Namensschild. Der Piesepampel schaut auf, zischt verächtlich „Kuffar“ und wendet sich wieder dem Smartphone zu. Ehe wir reagieren können, taucht der Restaurantleiter auf: „Familie Lau, ich lasse für Sie einen anderen Tisch eindecken, bitte folgen Sie mir.“ Um einen Eklat zu vermeiden und dem erwartungsvollen Publikum kein Schauspiel zu bieten, erinnern wir uns an den denkwürdigen Ausspruch: „Nun sind sie halt da!“ Widerspruchslos trotten wir dem Maitre hinterher.

Den angebotenen Knallkümmel lehnen wir allerdings ab. Aber nur, weil Alkohol am Steuer verboten ist.