Volker Wissing blockiert das vom EU-Parlament beschlossene Aus für Benzin- und Dieselneuwagen ab 2035. Und der Bundesverkehrsminister kann sich dabei sogar auf den Ampel-Koalitionsvertrag berufen: Dort steht nichts von einem Verbot des Verbrennungsmotors. Doch die Empörung seiner FDP-Parteifreunde über das Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen ist heuchlerisch, denn auf Seite 70 steht: „Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden“ – nur daß das grüne Wirtschaftsministerium von Robert Habeck und das Bauministerium von Klara Gleywitz (SPD) das Verbotsdatum eigenmächtig ein Jahr vorgezogen haben, läßt sich aus Sicht des kleinsten Koalitionspartners kritisieren.
Finanzminister Christian Lindner lehnte den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes und mehrerer Verordnungen zur Umstellung der Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energie“ in einer ersten Stellungnahme dennoch komplett ab und forderte eine vollständige Überarbeitung. Ministerin Gleywitz (SPD) hat immerhin Gespräche und Anhörungen mit den Betroffenen über Subventionen und Fristen an, hält aber grundsätzlich an der grün-roten Novelle fest – obwohl diese auf drei Arten in die Rechte der Hausbesitzer eingreift. Für Neubauten gilt der Zwang zu 65 Prozent Ökoenergie bei der Wärmeerzeugung ab 2024 sofort. Werden in Bestandsbauten Heizungen regulär getauscht, müssen die Regelungen ebenfalls sofort angewendet werden.
Keine Kapazitäten im Handwerk und Mangel an Heizungsteilen
Ein Zwang zum Austausch besteht in Zukunft auch für Gas- und Ölheizungen nach 30 Jahren – ungeachtet der Funktionsfähigkeit, für Niedertemperatur- und Brennwertkessel nach 36 Jahren. Der 2021 von der Ampel beschlossene Zwang, sichere Heizquellen wie Öl und Gas abzuschaffen, hat insbesondere bei privaten Hausbesitzern eine Tendenz zum vorzeitigen Heizungstausch vor dem Inkrafttreten der neuen Regelungen ausgelöst. Zumal derzeit der Einbau normaler Kessel in bestehende Öl- und Gasheizungssysteme zulässig ist. Die fehlenden Kapazitäten im Handwerk und der Mangel an Heizungsteilen haben allerdings zu Lieferstaus und Einbauverzögerungen geführt. Unklar ist, ob rechtzeitig georderte, aber nicht verbaute Heizungen nach dem Stichtag zum 1. Januar 2024 noch verbaut werden dürfen. Zahlreichen Hausbesitzern droht hier ein teurer Totalverlust der bisherigen Investition.
Für Neubauten soll der 65-Prozent-Zwang vor allem durch Wärmepumpen oder den Anschluß an ein Fernwärmenetz erreicht werden. Laut dem Verband der Heizungsindustrie (BDH) wurden 2022 in Deutschland 598.500 Gasheizungen neu eingebaut – das waren 61 Prozent des Neugeschäfts. Die teure und stromfressende Wärmepumpe kam nur auf 24 Prozent (236.000). Und: Hohe Effizienz- und Dämmungsstandards sowie die teuren Wärmepumpenkonzepte machen das Bauen für viele Häuslebauer unbezahlbar. Für größere Gesellschaften ist der erhöhte Anteil an sozialem Wohnungsbau mit reduzierten Mieten nicht mehr refinanzierbar. Der Anschluß an Fernwärme erfordert industrielle Erzeuger und Kraftwerke sowie in allen Kommunen außerhalb der Großstädte und Ballungsräume einen kompletten Wärmenetzneubau, was für viele Stadtwerke – ungeachtet der mehrjährigen Dauer bis zur Inbetriebnahme – wirtschaftlich unmöglich ist.
Zudem müssen die kommunalen Betriebe mittelfristig den Verlust der Einnahmen aus dem Gasnetz verkraften. Dieses muß aber für die angeschlossenen Bestandsbauten weiter instand gehalten und betrieben werden. Allerdings wird – wenn die Ampelpläne Bestand haben – die Gasmenge mit der Zeit kontinuierlich sinken, was die Refinanzierung der Anlagen durch Abgaben auf Verbrauch für Netzbetreiber wie Immobilienbesitzer verteuert. Für Bestandsbauten sind bei der Umrüstung mehr Optionen vorgesehen, die allerdings ebenfalls wirtschaftlich zu Lasten der Stadtwerke gehen. Ist es technisch nicht möglich, ein Gebäude durch Dämmung und Heizungstausch auf 100 Prozent Ökoheizanteil umzustellen, werden Hybridlösungen mit Gas- oder Ölanteil benötigt. Der dauerhafte Betrieb eines Gasnetzes für solche Immobilien ist unumgänglich, denn sie können auf Grund eines Verbauungsverbots für Ölheizungen nicht vom Netz abgekoppelt werden.
Theoretisch ist der Betrieb von Gasheizungen in Altbauten auch nach 2045 weiter möglich, wenn diese mit 100 Prozent Biomethan oder Wasserstoff (H2) betrieben wird. Der H2-Einsatz, dessen „grüne“ Produktion kaum für Industrieanwendungen reichen wird, erfordert allerdings entweder ein völlig neu verlegtes Gasnetz oder einen extrem teuren H2-Hochsicherheitstank, da das bestehende Erdgasnetz nicht genutzt werden kann. Die Bestands-Gasheizungen in den Immobilien sind zudem im Regelfall nicht in der Lage, einen höheren Grad an Wasserstoffbeimischung oder eine komplette Umstellung auf Biogas ohne Umrüstung an allen Heizungen des Netzes vor der Umstellung zu verarbeiten.
Abschaltung von Kraftwerken reduziert Fernwärmemengen
Als Alternative zu Wärmepumpe, H2 und Biogas ist weiter Biomasse, im Regelfall Holzpellets, erlaubt. Doch ein Anstieg der Holzverbrennung würde – trotz Filteranlagen – umweltbelastend wirken. Zudem müssen Pellets via Lkw geliefert werden. Probleme mit diesen Heizsystemen haben alle Immobilienbesitzer, die keine großen, trockenen Räume zur Lagerung haben und entsprechende Aufbewahrungsmöglichkeiten nachrüsten müssen. Wärmepumpen sind Stromfresser, sie nutzen meist hochgiftige Kältemittel (PFAS). Und bereits jetzt haben die Netzbetreiber erhebliche Probleme bei der Netzsteuerung. Die Abschaltung der „fossilen“ Kraftwerke reduziert nicht nur die Fernwärmemengen, sondern auch die verfügbare Steuerungsleistung für die Netzstabilität. Im AKW-Land Frankreich heizt über ein Drittel der Haushalte mit Strom – in Deutschland kommen Strom- und Wärmepumpenheizungen nur auf 5,4 Prozent.
Würde dieser Anteil merklich steigen, gäbe es ein zusätzliches Stromproblem: In Dunkelflauten gibt es nicht genügend Ökostrom. Bereits heute überlegen Netzbetreiber, durch Rationierungen oder Drosselungen den Strom zu rationieren. Aktuell betreffen diese Planungen die Ladestationen für Elektroautos, aber auch Wärmepumpen können theoretisch abgeschaltet werden. Ob das den regierungshungrigen FDP-Verhandlern bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags bewußt war?
Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes:
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