Am 9. Februar 1990, im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Gespräche über den Weg zur deutschen Einheit erklärte der damalige US-Außenminister James Baker im Kreml gegenüber Michail Gorbatschow, daß die „Jurisdiktion oder militärische Präsenz der Nato in östlicher Richtung um keinen Zoll ausgedehnt wird“, falls die Sowjetunion der Wiedervereinigung zustimme. Von dieser Zusicherung sind die USA, wie der Historiker Michael Gehler (Hildesheim/Budapest) in seiner Rekonstruktion der Verhandlungen ausführt (Politikum, Sonderheft 2022), noch während der Gespräche schrittweise abgerückt. Bakers „Versprechen“ belege das zunächst bestehende Verständnis für sowjetische Sicherheitsbedürfnisse. Doch wurde dieser Verzicht auf die Nato-Osterweiterung nicht rechtsverbindlich im Zwei-plus-Vier-Vertrag verankert. Einerseits aus Prestigegründen, um nicht als zu nachgiebig gegenüber der UdSSR zu erscheinen, andererseits weil „grundsätzlich gar kein Interesse“ an einem dauerhaften Expansionsverzicht bestand. Denn vorrangig für die USA sei es gewesen, ihre militärische Führungsrolle in Europa zu festigen. Versuche westlicher Politiker und Medien, heute Wladimir Putins Erzählung vom nicht eingehaltenen Versprechen als „russische Legende vom Wortbruch“ abzutun, seien daher „zu simpel“.