Die Nachrufe, die in deutschen wie internationalen Blättern auf den im vergangenen November im Alter von 93 Jahren verstorbenen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger erschienen sind, loben fast einmütig „wendige und schnelle Positionswechsel“ als hervorstechendes Charakteristikum seiner Autorschaft. Die dafür ebenso reflexhaft zitierten Bezugsgrößen heißen Denis Diderot und Heinrich Heine, Aufklärer und Ironiker, die als historische Gewährsleute die Kapriolen des „fliegenden Robert“ Enzensberger in der europäischen Literaturtradition verankern sollen. Begeistert zustimmend faßt so der Literaturwissenschaftler Kai Sina (Münster) den Tenor der Abschiedsgesänge des „Qualitätsfeuilletons“ zusammen (Merkur, 2/2023). „Vergessen“ hat er indes die einzige schneidend kritische Stimme des Publizisten Eberhard Straub. Für den habilitierten Historiker hatte Enzensberger, dieser „leitende Nonkonformist auf Bundesebene“, in den letzten Jahrzehnten die Aufgabe, in unübersichtlichen Zeiten für gute Laune zu sorgen und „Schwarzseher“ zu verspotten, die sich weigerten, den Verhältnissen, so schlecht wie sie tatsächlich sind, zuzustimmen (Cato, 2/2023). Hat sich für Straub die einstige Orientierungsfigur der 68er-Rebellion gewandelt zum „schwungvollsten Verteidiger der Bundesrepublik“ als des angeblich „besten Deutschland, das es je gab“ (Frank-Walter Steinmeier), ist es für den professoralen Staatsdiener Sina kein Makel, dem Status quo gehuldigt zu haben. Repräsentierte Enzensberger doch den so prinzipien- wie alternativlosen Zeitgeist einer saturierten Gesellschaft, die sich vom „Denken in scharfen Oppositionen“ endlich glücklich verabschiedet habe.