© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/23 / 10. März 2023

Verzehnfachung der Zinsaufwendungen
Haushaltspolitik: Bundesrechnungshof warnt Bundesregierung vor finanziellem Kontrollverlust / Wie werden wir die wachsenden Schulden los?
Joachim Starbatty

Der Bundesrechnungshof (BRH) schlägt Alarm. Die unabhängige Behörde zur Finanzkontrolle des Bundes mahnt an, die Dynamik der Neuverschuldung zu stoppen. Bei einem Kontrollverlust wäre die Politik machtlos gegen eine sich verstärkende Schuldenlawine. Bislang haben hohe Steuermehreinnahmen die Erwartung geweckt, aus dem vollen zu schöpfen: 2021 nahmen Bund, Länder und Gemeinden 833,2 Milliarden Euro ein – 93,5 Milliarden Euro (12,6 Prozent) mehr als im Vorjahr. Auch machten die Nullzinspolitik und die Staatsanleihekäufe der EZB die Politiker glauben, Haushaltsdisziplin wäre eine Tugend von gestern. 2021 mußte der Bund 3,9 Milliarden Euro für Zinsen aufwenden – in diesem Jahr sind 39,8 Milliarden Euro dafür eingeplant.

Die Schuldenlast des Bundes (2021: 1.667 Milliarden Euro) wird sich wegen der hohen Kreditaufnahmen und der Inanspruchnahme der Kredit­ermächtigungen (Sondervermögen Bundeswehr, „Schutzschirme“, Energiewende) drastisch erhöhen. Die Ursache für die lockere Ausgabenpolitik ist die Einheitswährung Euro, die frühere Ab- und Aufwertungsländer zusammenspannte. Die einen wurden notleidend, wenn sie bei verlorener internationaler Konkurrenzfähigkeit nicht mehr abwerten konnten; die anderen – wie Deutschland – profitierten von einem für ihre starke Wirtschaft unterbewerteten Euro, der die Außenhandelsüberschüsse steigen und die Steuerquellen sprudeln ließ.

Sozialtranfers, Asylzuwanderung und zerstörerische Sanktionen

Um die Eurozone nicht platzen zu lassen, orientierte die EZB ihre Politik an den überschuldeten Mitgliedstaaten und machte ihnen den Weg zum billigen Geld frei. Das ersparte ihnen eine unpopuläre Sanierungsarbeit und nährte auch in Deutschland die Illusion, dauerhaft Geld für nichts zu bekommen. Die Rechnung dafür wird jetzt präsentiert: Um die daraus resultierenden inflatorischen Tendenzen in Schach zu halten, erhöht die EZB schrittweise die Leitzinsen. Die deswegen steigenden Zinslasten rauben dem Bund die verbliebenen Haushaltsspielräume, schreiben die BRH-Prüfer.

Zusätzlich kommen auf den Bund unerwartete Verpflichtungen zu. Unsere Politiker hatten sich darauf konzentriert, das soziale Netz auf Lücken hin zu prüfen und finanzielle Abhilfen zu beschließen, ohne auf die so ausgelösten langfristigen Verpflichtungen zu achten. Die Rechnungsprüfer fordern, die Regierung müsse die „Versteinerung“ des Bundeshaushalts dringend auflösen, um alle Sozialversicherungszweige für die kommenden Jahrzehnte tragfähig zu machen. Zudem reißt die Asyleinwanderung große Löcher ins soziale Netz. Noch sagt die Ampel nicht, wie sie den Zustrom kontrollieren will und einen raschen Wechsel aus dem sozialen Netz in die Arbeitsmärkte organisieren will.

Auch die Corona-Pandemie hat große Haushaltslöcher gerissen, die sich nicht von heute auf morgen schließen lassen. Dies gilt auch für die Versuche, die gestiegenen Kosten im Energiesektor zu dämpfen. Die Energieverteuerung der läuft letztlich darauf hinaus, daß ein größerer Teil als bisher des bei uns erwirtschafteten Einkommens in Richtung Energielieferanten fließt, doch die Ampel will diese Umverteilung durch Preisstopps, Subventionen und Verschuldung kompensieren – zu Lasten der kommenden Generation. Abhilfe könnte ein Ende der zerstörerischen Sanktionspolitik schaffen. Das ist aber von der Ampel nicht gewollt.

Über die Folgekosten der fehlkonstruierten Währungsunion wird nicht geredet. Zwar hat die Bundesregierung 2021 mit dem über gemeinsame Schulden finanzierten Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro (Next Generation EU) einen Schritt in Richtung einer Haftungsunion gemacht, doch behauptet sie, das sei eine einmalige Aktion. Das ist falsch. Wenn kein Land aus der Währungsunion ausscheiden darf, tragen die finanzstarken Länder die Kosten für den Zusammenhalt. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat ihren Bürgern versichert, daß sie sich um die Staatsschulden keine Sorgen machen müßten, da ihr Land in der Währungsunion nicht bankrott gehen könne. Vor diesem zukünftigen Schuldenmühlstein schließen Deutschlands Politiker die Augen.

Für stabile Bundesfinanzen bedürfe es klarer, kluger und schmerzhafter Entscheidungen, sagt der BRH. Er hat recht. Das wäre Politik nach Art eines sorgsamen Hausvaters. Doch haben Politiker noch anderes im Sinn. Wenn eine solche Politik die Wiederwahlchancen gefährdet, werden derartige Sanierungsarbeiten aller Erfahrung nach unter- oder abgebrochen. Aber es gibt noch eine andere in der Vergangenheit praktizierte Methode: Entschuldung durch Inflation.