© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/23 / 10. März 2023

Kommt jetzt die Rechnung für Niedrigzinsen und Anleihekäufe?
Verluste der Zentralbanken
Dirk Meyer

Mit der Zinswende kommt die große Abrechnung – erst für die Notenbanken, später für die hochverschuldeten Staaten, Firmen und Haushalte, deren Niedrigzinskredite auslaufen und verlängert werden müssen. Die Bundesbank mußte Rückstellungen von 972 Millionen Euro auflösen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) meldete einen Verlust von 134 Milliarden Euro, der aus gesunkenen Werten ihrer Aktienanlagen und Dollarbestände resultiert. Mit deren Ankäufen sollte der Franken-Kurs zwecks Exportförderung künstlich niedrig gehalten werden. Während die Bundesbank-Verluste eher ein Zeichen der Schwäche sind, beruhen die Verluste der SNB auf der wirtschaftlichen Stärke der Schweiz. Auch die EZB berichtete, daß sie einen Gewinn von null Euro für 2022 ausweisen wird. Um auf dieses ausgeglichene Ergebnis zu kommen, mußte sie 1,6 Milliarden Euro ihrer Reserven auflösen. Die EZB-Verluste haben vornehmlich vier Ursachen.

Da sind erstens die Dollar-Verluste und Abschreibungen auf Wertpapiere und Papiere in dem nicht-geldpolitischen Portfolio der Notenbanken, den „Eigenmittelanlagen“. Denn steigende Zinsen führen zu sinkenden Kursen der Anleihen, und dafür in der Regel müssen Wertberichtigungen vorgenommen werden. Bei der EZB wurde eine Korrektur in Höhe von 1,8 Milliarden Euro notwendig. Dies betrifft jedoch nicht die umfangreichen (Staats-)Anleiheankäufe des Eurosystems. Hier umgeht man die Notwendigkeit von Wertberichtigungen weitgehend, indem zu „fortgeführten Anschaffungskosten“ bilanziert werden kann. Sollte allerdings ein Verkauf dieser Papiere geldpolitisch geboten sein, um etwa die stark expandierte Geldmenge wieder zurückzufahren, drohen Verluste, die derzeit in den Bilanzen nicht sichtbar sind. Eine zweite Verlustquelle stellen Anleihen dar, die über ihrem Nennwert erworben wurden. Bei Fälligkeit der Anleihe erhält die Zentralbank weniger als sie dafür ausgegeben hat. Im Rahmen der Staatsanleiheankäufe erwarben die nationalen Notenbanken vorrangig Papiere des eigenen Staates. Da insbesondere die Bundesanleihen aufgrund ihrer Sicherheit im Verhältnis zu denen der hochverschuldeten Euroländer sehr niedrige oder gar negative Renditen aufwiesen, ist die Bundesbank besonders von diesen Verlusten betroffen. So kaufte sie 2019 eine fünfjährige Bundesanleihe zum Kurs von 110 Prozent – wegen der damaligen Negativrendite für diese Anleihen lag der Marktkurs damals über dem Nennwert.

Sodann hat drittens die Zinswende zu einer Abnahme oder gar zu einer negativen Zinsspanne insbesondere bei den Zentralbanken solider Staaten geführt. Geschäftsbanken legen ihre überschüssige Liquidität aus den Anleiheverkäufen an die Zentralbanken derzeit einheitlich zu 2,5 Prozent bei diesen wieder an. Doch die Anleihen rentieren teilweise niedriger als der Einlagenzins. So sank das „Nettozinsergebnis“ bei der EZB von 1.566 Millionen (2021) auf 900 Millionen Euro.

Eine vierte Verlustquelle betrifft speziell die EZB und ihre Verbindlichkeiten, die sie im Rahmen des Zahlungsverkehrssystems Target-2 gegenüber den nationalen Notenbanken hat. Diese werden jetzt zum positiven Leitzins verzinst. Der Zinsaufwand hierfür beträgt 2,1 Milliarden Euro nach Erträgen für 2021 von noch 22 Millionen Euro. Damit bewahrheitet es sich erneut: There is no free lunch – nichts ist umsonst.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.