© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/23 / 10. März 2023

„Tricksen, Täuschen, Vertuschen“
Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gerät wegen verschwundener Akten in Bedrängnis
Paul Leonhard

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wollte doch eigentlich nur an der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 festhalten und das Projekt gegen Sanktionsdrohungen aus Washington absichern. Heute bringt der Sozialdemokratin ihre Sorge um die wenigen Industriebetriebe im nordöstlichen Bundesland ausgerechnet von der FDP den Vorwurf ein, 165 Millionen Euro vorbei am Vergaberecht an 80 Firmen vergeben zu haben.

Mittlerweile fordert auch die CDU-Opposition – seinerzeit in Schwerin Koalitionspartner von Schwesig – ihren Kopf. Ihr Umgang mit der Pipeline, die Geschichte der 2021 eigens zur Umgehung von Sanktionen gegründeten und von der damaligen  CDU-Justizministerin innerhalb von 24 Stunden genehmigten landeseigenen Stiftung „Klima- und Umweltschutz MV“ sowie die Millionenzahlungen des russischen Staatskonzerns Gazprom standen daher auch im Mittelpunkt einer Debatte im Bundestag. Und einiges, das in diesem Zusammenhang ans Tageslicht kam, vermittelt den Eindruck, als wäre Mecklenburg-Vorpommern eine Bananenrepublik, wie Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, findet.

Da ist eine Finanzbeamtin, die wichtige Steuerunterlagen der Klimastiftung mit nach Hause nimmt, dort verlegt, und als sie diese dann wiederfindet, im Frühjahr 2022 im häuslichen Kamin verbrennt. Da ist ein SPD-Finanzminister namens Heiko Geue, der von diesem Vorfall zwar ebenso wie Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) Kenntnis hat, aber zuließ, daß der Vorgang zu den Akten gelegt wurde; die Beamtin hatte ihren Vorgesetzten informiert, das Verfahren gegen sie war im September gegen Zahlung einer Geldbuße von 2.250 Euro von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. 

Geue belog sogar die Landtagsabgeordneten in Schwerin, als er ihnen wider besseres Wissen versicherte, keine Kenntnis über den Verbleib der verschwundenen Akten zu haben. Er habe das Steuergeheimnis wahren müssen, begründet der Minister heute seine Aussage.

Die vernichteten Dokumente sollten klären, ob die Klimastiftung eine Schenkungssteuer von 50 Prozent der von Gazprom überwiesenen rund 20 Millionen Euro hätte zahlen müssen, wogegen sich die Stiftung juristisch wehrte. Ist es glaubhaft, daß derart wichtige Papiere nur einmal existieren? Tatsächlich soll es nach Focus-Recherchen drei Steuererklärungen der Stiftung gegeben haben, aber auch die anderen beiden sind verschwunden.

„Nicht wegen Putin auf russisches Gas gesetzt“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse sprach in der Aktuellen Stunde des Bundestages von einer Pipeline, durch die „Fakenews, Propaganda und Lügen“ bis in die Schweriner Staatskanzlei flössen, und CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisierte die „Fortsetzung von Tricksen, Täuschen und Vertuschen“. Die Stiftung habe den Tarnauftrag gehabt, den Russen das Geschäft zu ebnen, und Schwesig habe bisher weder wie versprochen die Stiftung aufgelöst, noch die Gazprom-Millionen an die Ukraine gespendet.

Die Ministerpräsiendtin selbst wies die Vorwürfe von sich. Sie habe stets die wirtschaftlichen Interessen der Region vertreten, und auch die Bundesregierung habe den Bau vo Nord Stream unterstützt: „Wir haben ja nicht wegen Putin auf russisches Gas gesetzt“, sondern es sei um eine preiswerte Energieversorgung gegangen, so die 48jährige im Interview mit der Superillu: Und durch die Invesitionen gebe es immerhin drei große Pipeline-Verbindungen auf dem Festland, die jetzt für LNG und künftig für Wasserstoff genutzt werden können, um den ganzen Osten und auch Süddeutschland zu versorgen. Es sei deswegen nicht richtig, „jetzt mit dem Finger auf uns zu zeigen“. 

Am Dienstag kündigte unterdessen der Stiftungsvorstand um Schwesigs Vorgänger Erwin Sellering überraschend an, in Kürze zurückzutreten.