Eine Funktionärin schleudert Sahra Wagenknecht 2018 auf einem Parteitag entgegen: „Du zerlegst gerade diese Partei!“ Gut vier Jahre später ist das Werk nahezu vollbracht – was freilich weniger an Wagenknecht als an dem ratlosen Umgang der Linken mit ihr liegt, der von Neid und intellektueller Hilflosigkeit zeugt. Wagenknechts nun angekündigter Rückzug als Linken-Parlamentarierin macht den Deckel drauf auf eine lange Entfremdung, die über die Themen Migration, Corona und Ukraine-Krieg führte. Schwer vorstellbar, daß sie Parteimitglied bleibt.
Angesichts ihrer Beliebtheitswerte und des ohnehin todesnahen Zustands der Linken hat der Rückzug das Potential zu schaffen, was Ulbricht, Honecker, Krenz und Gysi nicht gelang: die so wandlungsfähige SED tatsächlich zu erledigen. Und dann? Eigentlich wünscht sich Wagenknecht eine neue Partei; aber die praktischen Hürden schrecken ab: Wagenknecht, ein Einzelgänger-Charakter, kann reden, aber kann sie auch organisieren? Und: Will sie es? Ihre Burnout-Erfahrung spricht dagegen.
Fraglich auch, ob der Raum für eine neue Partei da ist, zumal die AfD sich auf einen national-sozial-pazifistischen Kurs festgelegt hat. Die größte Sorge muß den Alternativen bereiten, daß ihr Personal an Ausstrahlungskraft mit der linken Ikone längst nicht mithalten kann. Im Zweifel könnte Wagenknechts Projekt jedoch auch die Linke zerstören, ohne selbst erfolgreich zu sein – keine schlechten Aussichten.