Freitag mittag. Gedanklich schon im Wochenende, arbeite ich die letzten Unterlagen ab. Mein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung teilt mir eine Lehrerin mit, daß sich meine Tochter unwohl fühlt. Ich mache mich sofort auf den Weg zur Schule.
Im Krankenzimmer nehme ich die Kleine in Empfang. Neben ihr sitzen noch zwei andere Kinder, die ebenfalls kränklich wirken. Gerade als ich gehen will, tobt eine Mutter herein und schnappt sich ihren Sohn: „Alles nur wegen dieser fürchterlichen Masken. Kein Wunder, daß jetzt alle krank werden!“
Die Erzieherin schaut mich fragend an. Weiß sie, daß ich die Frau kenne? Jene, die mich beim Elternabend ungehalten auf die Maskenpflicht hingewiesen hat?
Soll ich ihn damit konfrontieren, daß er vor kurzem noch für ein härteres Vorgehen war?
Zügig verabschiede ich mich und trete den Heimweg an. Daheim angekommen, verwickelt mich mein Nachbar in ein Gespräch. „Was sagen Sie zu den Menschrechtsverletzungen in China?“, will er von mir wissen. Die Demonstrationen der Menschen dort für wieder mehr Freiheit seien ja erfolgreich gewesen.
Ob ich ihn damit konfrontieren sollte, daß er vor nicht allzu langer Zeit ein härteres Durchgreifen gegen die Demonstranten in unserer Stadt, die wohl ein ähnliches Ansinnen hatten, gefordert hat? Mit der Tochter an der Hand ziehe ich es vor zu schweigen und gebe ihm zu verstehen, daß wir uns ein andermal unterhalten müssen.
Später am Abend widme ich mich dem Fernsehprogramm. Es läuft eine Sendung über Impfschäden. Man fordert Aufklärung und eine sachliche Debatte. Bevor ich mir weiter Gedanken über zurückliegende Berichte machen kann, welche in Dauerschleife die absolute Unbedenklichkeit der Spritze thematisiert haben, schalte ich besser ab.
Ein Freund kommt mir in den Sinn. Erst neulich habe ich mit ihm über den gesellschaftlichen Wandel debattiert. Während ich, besonders bei den sich ständig ändernden Meinungsbildern einer überangepaßten Bevölkerung, häufig mit Unmut reagiere, konstatierte er recht nüchtern: „Ich freue mich schon jetzt auf die Zeit, in der wieder jeder behaupten wird: Also ich war da ja schon immer dagegen. Keine Ahnung, wie es so weit kommen konnte.“ Wer weiß, vielleicht ist diese Zeit ja nun.