Anfang Februar 1943 drohte an der Ostfront eine Katastrophe, die die von Stalingrad, noch bei weitem zu übertreffen drohte. Zwischen den Heeresgruppen Mitte und Süd klaffte eine Lücke von fast 160 Kilometern Breite, durch die die Rote Armee über den Dnjestr in das Industriegebiet im Donezbecken einzudringen und bis zum Dnjepr vorzustoßen drohte, was der Heeresgruppe Süd die völlige Vernichtung verhieß.
Der Widerstand der 6. Armee im Kessel von Stalingrad bis Anfang Februar (JF 5/23) erlaubte es der sowjetischen Führung zwar nicht, alle ihre Ziele durch einen einzigen großen Schlag zu erreichen. Doch begann sie Mitte Dezember eine Reihe von aufeinanderfolgenden Offensiven gegen die am Don nordwestlich von Stalingrad stehenden Truppen der Achse, die zunächst die italienische 8. Armee, dann die ungarische 2. Armee sowie anschließend noch die deutsche 2. Armee trafen. Wie die Rumänen zuvor hatten weder Italiener noch Ungarn mangels durchschlagskräftiger Panzerabwehrmittel den massiven sowjetischen Panzervorstößen etwas entgegenzusetzen. Zwar gelang es jeweils Resten der dort teilweise eingekesselten Truppen unter schweren Verlusten auszubrechen, doch betrugen die Verluste der Achsenmächte etwa 160.000 Tote und Gefangene. Ungarische und italienische Divisionen standen nunmehr im Osten nicht mehr zur Verfügung.
Schon die Dezemberoffensive hatte Generalfeldmarschall Erich von Manstein am 23. Dezember 1942 zum Abbruch des Entsatzangriffs zur Öffnung des Stalingrader Kessels gezwungen. Selbst Hitler gestattete am 29. Dezember der Heeresgruppe A den Rückzug aus dem Kaukasus. Dieser wurde bis Anfang Februar auch erfolgreich durchgeführt. Am 2. Februar begann das sowjetische Unternehmen „Swesda“ (Stern), der Stoß durch die erwähnte Lücke in der deutschen Ostfront zur Rückeroberung des Donezbeckens und das Erreichen des Dnjepr. Die Offensive machte zunächst rasche Fortschritte, am 8. Februar eroberten die Sowjets Kursk zurück, am Tag darauf Belgorod am Donez und am 16. Februar Charkow, das wichtigste Industriezentrum des Donbass. Im Falle Charkows, das Hitler um jeden Preis zu halten befohlen hatte, widersetzte sich ausgerechnet ein General der Waffen-SS, Paul Hausser, dem „Führerbefehl“ und gab eigenmächtig die Stadt auf, um sein SS-Panzerkorps vor der Einkesselung zu bewahren (JUNGEFREIHEIT.de/wissen/geschichte/2022/charkow-1943-das-reich-schlaegt-zurueck/).
Manstein sah nun die Chance, unter der Nutzung von Clausewitz’ Gesetz der abnehmenden Kraft eines vordringenden Angreifers einen „Schlag aus der Nachhand“ zu führen. Die Rote Armee sollte zunächst ihren Vorstoß weiter fortsetzen, aber dann, wenn die bei einem derartig schnellen Vormarsch unweigerlich auftretenden Nachschubprobleme größer wurden, überraschend von den überdehnten Flanken her geschlagen werden. Manstein konnte über frisch zugeführte Truppen wie das erwähnte SS-Panzerkorps sowie die aus dem Kaukasus abgezogene 1. Panzerarmee verfügen und verschob in einer großen Rochade die alte 4. Panzerarmee auf den linken Flügel seiner Heeresgruppe. In der Mitte ließ er hingegen die südlich von Charkow in breiter Front bei Isjum über den Donez eingebrochenen Feind weiter vorstürmen, bis dessen Spitzen fast den Dnjepr erreicht hatten.
Die Frühjahrs-Schlammperiode ließ weiteren Vormarsch nicht zu
Am 19. Februar begann der Angriff zunächst der 1. Panzerarmee gegen die überdehnte Ostflanke der zum Dnjepr vorgestoßenen sowjetischen Truppen. Am 22. folgte der Angriff der 4. Panzerarmee gegen die Westflanke. Beide Angriffe machten rasch Fortschritte. Bis Anfang März zerschlugen die Deutschen eine Reihe von sowjetischen Verbänden und gewannen die Donez-Linie zurück. Am 6. März ließ Manstein die Offensive in Richtung auf Charkow fortsetzen. Die Stadt selbst wurde zwischen dem 11. und 15. März durch das SS-Panzerkorps unter Hausser im hartnäckigen Häuserkampf zurückerobert. Am 18. März gelang sogar noch die Rückeroberung Belgorods. Der weitere deutsche Vormarsch endete wegen der einsetzenden Frühlings-Schlammperiode am 24. März.
Manstein hatte damit durch eine bewegliche Kriegführung aus einer bedrohlichen militärischen Lage heraus noch einmal einen großen deutschen Sieg errungen. Der Verlauf der Ostfront, wie sie zu Beginn der Sommeroffensive 1942 bestanden hatte, war nahezu wiederhergestellt. Strategisch stand das Reich aber deutlich schlechter da als im Sommer 1942. Die Frage lautete nur noch, wie man sich der wachsenden Übermacht der Roten Armee würde erwehren können. Mansteins „Schlagen aus der Nachhand“ hatte gezeigt, daß man dies durch eine bewegliche Kriegführung eventuell aus der Unterlegenheit heraus konnte. Doch mußte man einem angreifenden Feind zunächst einmal große Raumgewinne gestatten, bevor man zurückschlug. Das ging gegen jeden Instinkt Hitlers, der sich immer öfter auf ein „Halten um jeden Preis“ versteifte. Die Alternative zum „Schlagen aus der Nachhand“, ein solches aus der „Vorhand“, die feindliche Übermacht noch in der Versammlung zu stellen und zu zerschlagen, barg indes mannigfaltige Risiken, wie die Schlacht von Kursk im Sommer des gleichen Jahres zeigen sollte.