Wer über 5.550 Euro im Monat verdient und keine Vorerkrankungen hat, kann Mitglied der privaten Krankenversicherung (PKV) werden. Da in der Regel nur Gesunde aufgenommen werden, ist der PKV-Beitrag niedriger als der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Allerdings sind jährliche Selbstbeteiligungen von 500 bis 2.000 Euro üblich – das soll die PKV-Versicherten animieren, nur im Notfall zum Arzt zu gehen. Bernd Raffelhüschen, bis 2020 Aufsichtsrat des Versicherungskonzerns Ergo, will letzteres auf die GKV übertragen: „Wir können uns das System nicht mehr leisten“, behauptete der Freiburger Ökonomieprofessor in der Bild-Zeitung. Die GKV-Ausgaben stiegen jährlich um 10 bis 20 Milliarden Euro. Der GKV-Beitrag könnte daher in zwölf Jahren von jetzt 16,2 auf 22 Prozent ansteigen.
Raucher oder Übergewichtige müßten sogar mit noch höherer Selbstbeteiligung rechnen. Skifahrer sollten ihren Beinbruch selbst bezahlen – PKV-Mitglieder sind da besser dran. Die teilweise Beitragsrückerstattung, wenn der Managernachwuchs ein halbes Jahr keine Arztrechnung einreicht, gibt es in der künftigen Raffelhüschen-GKV aber nicht. Aus dem christlich-sozialen Motto „Starke Schultern können und müssen mehr tragen“ soll das darwinsche „Survival of the Fittest“ werden – und das gibt der 65jährige selbst zu: „Die größten Verlierer der Reform werden die künftigen Senioren sein. Sie müssen mehr aus eigener Tasche bezahlen.“ Profitieren würden Firmen und topfitte Beschäftigte: Ihre GKV-Pflichtbeiträge würden tatsächlich „langsamer steigen als ohne Reform“. Asyleinwanderer, Bürgergeldempfänger und Geringverdiener müssen sich auch keine Sorgen machen: Sie muß der Steuerzahler selbstverständlich mit Zuschüssen unterstützen, verspricht Raffelhüschen.
Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes, hat schon vor einem Jahr vor einer Finanzierungslücke gewarnt – aber nicht zu einem Generalangriff auf den arbeitenden Normalbürger oder Rentner geblasen: Ausgabendeckende GKV-Beiträge für Hartz-IV-Empfänger würden Mehreinnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro bringen. Zudem könnte eine dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent jährlich sechs Milliarden Euro sparen. Und davon hätten sogar privatversicherte Professoren etwas.